Schnellkurs in Sachen Liebe
wollte – ob das die Unerfahrenheit war, die sich erneut bemerkbar machte? Egal, auf jeden Fall gefiel es ihr.
„Das mag so sein“, erwiderte sie, „aber ich werde mich jetzt zurückziehen, weil ich mich gerade mit dir ein wenig überfordert fühle.“
„Nur ein wenig?“ Er konnte nicht anders, er musste es einfach wissen.
„Es muss ja nicht viel sein“, konterte sie. „Wenn ich mit den Füßen nicht auf den Boden komme und nicht ans rettende Ufer schwimmen kann, dann ertrinke ich. Also tue ich jetzt genau das – ich schwimme in Sicherheit und sage Gute Nacht.“
„Clever“, befand er. „Genau dieser Ruf eilt dir voraus. Gute Nacht, Ophelia.“
„Gute Nacht, Sebastian.“
Doch sie schien keine Anstalten machen zu wollen, wegzugehen.
Seb deutete mit dem Kopf zur Tür. „Das Gästehaus liegt in dieser Richtung.“
Poppy errötete und senkte rasch die Lider. Vorsichtig legte sie das Billardqueue auf dem Tisch ab.
Dann flüchtete sie.
Sie fuhr den Felsweg hinunter und schämte sich fürchterlich, während sie die Ereignisse des Abends noch einmal Revue passieren ließ. Dabei versuchte sie herauszufinden, an welcher Stelle die Dinge schiefgelaufen waren.
Da war das Dinner gewesen, für das sie ihm gedankt hatte.
Das Billardspiel, das sie verloren hatte.
Der Flirt, in dem sie hoffnungslos unerfahren gewesen war.
Und dann hatte es den Kuss gegeben.
Ja, der Kern des Problems war der Kuss. Sie hatte sich völlig darin verloren, sinnliche Reizüberflutung.
Als er sie enger an sich zog und sie seine Erregung spürte, wurde ihr das ganze Ausmaß ihres Tuns bewusst, und sie wollte für alles bereit sein. Doch sie war es nicht.
Die Unerfahrenheit ließ sie erstarren. Sprachlos und stumm.
Geschockt.
Aber nicht unwillig. Wenn er das geglaubt hatte, hatte er sie falsch verstanden. Sie war offen für Veränderung, war es schon immer gewesen. Sie hatte nur nie das richtige Ventil gefunden.
Bis jetzt.
Poppy fuhr weiter und parkte den Quad ein paar Minuten später in dem kleinen Schuppen hinter dem Gästehaus. Sie erklomm die Stufen zur Veranda, ging durch bis in die kleine Küche und schaltete das Licht an. Ein Gecko huschte über die Wand, versteckte sich hinter einem Schrank und zog den Schwanz ein, schob aber die Nase hervor.
Poppy bückte sich und ging auf Händen und Knien, bis sie ein halbes Auge sah. Dann redete sie.
„Er hat mich geküsst, Gecko. Niemand hat mich je so geküsst. Es war …“
Die Nase des Geckos zuckte. Ein bisschen mehr Auge tauchte auf. Nicht viel, aber mehr Ermutigung brauchte Poppy nicht. „Es war atemberaubend. Ich bin beinahe zu Wachs zerschmolzen. Es war sehr verstörend.“
Jetzt zwei Augen. Der Gecko hatte definitiv Lust auf Frauengespräche. „Ich weiß“, gestand Poppy feierlich. „Er wird es wiederholen müssen.“
5. KAPITEL
Sebastians Tag begann mit einem Sprung ins Meer und einem Becher starken schwarzen Kaffee. Das Haus war leer, was ihn einigermaßen ruhelos machte, zumindest ruheloser als sonst.
Er würde es zwar niemals zugeben, aber insgeheim wartete er auf Poppy.
Und während er wartete, ging er die Ereignisse des Vorabends noch einmal durch.
Er hatte das Ganze gestartet, so viel stand mal fest.
Er hatte es auch beendet, aber erst nachdem Poppy in seinen Armen zur Salzsäule erstarrt war. Wenn sie nicht aufgehört hätte, dann hätte er es vermutlich auch nicht getan. Sie wären zusammen aufgewacht, er hätte ihr Kaffee gebracht und vielleicht noch einmal mit ihr geschlafen. Ja, er hätte sichergestellt, dass sie beide auf ihre Kosten kamen, die nächsten Tage wären sehr angenehm verlaufen, und dann wäre sie nach Oxford zurückgereist, ohne dass ein Schaden entstanden wäre.
Genauso hätte es laufen sollen. Hätte es laufen können.
Doch genau das war nicht passiert.
Unschuld oder Vorsicht? Oder steckte etwas ganz anderes dahinter? Das war die Frage, die Sebastian an diesem Morgen quälte, zusammen mit der Frage, warum er sich überhaupt Gedanken darum machte?
Sie war nicht sein Typ. Zu scheu, zu schlicht.
Sein Bruder nannte sie eine Maus.
Und genau in diesem Moment öffnete eine zierliche, grazile Frau ohne anzuklopfen die Hintertür. Das karamellfarbene Haar hatte sie zu einem dicken Pferdeschwanz gebunden, und die kornblumenblauen Augen wurden von dichten schwarzen Wimpern umrahmt. Als Poppy seinem Blick begegnete, verflüchtigten sich alle Gedanken daran, dass sie zu scheu und schlicht sei. Was blieb, war wildes,
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