Schnitt: Psychothriller
Dunkelheit, erwartet, ein entferntes Bellen oder das Galoppieren von Pfoten zu hören, doch es bleibt still.
Früher hätte sie jederzeit darauf gewettet, dass Victor zu seinem Schutz ein privates Sicherheitsunternehmen engagiert. Seit ihrem Besuch in seiner Villa weià sie es besser.
»Ich habe ein Vermögen bezahlt, um keine lästigen Nachbarn neben mir zu haben oder irgendwelche Zaungäste, die in meinen Garten gaffen. Ich will meine Ruhe haben und basta. Was hätte ich davon, eine Rotte muskelbepackter Spatzenhirne durch meinen Garten patrouillieren zu lassen? Spatzenhirne, die Spatzenhirne verjagen sollen? Mir reichen die Hunde«, hatte er geraunzt und dann einen irritierten Blick auf seine beiden Dobermannrüden Alister und Dexter geworfen, die sich zu Lizâ FüÃen niedergelassen hatten, wobei Dexter auf dem Rücken lag und sich von Liz den Bauch kraulen lieÃ.
Sie muss lächeln, als sie an die beiden Tiere denkt. Trotzdem macht sie sich keine Illusionen; die beiden Dobermänner sind gefährliche Kampfmaschinen, und es gibt keine Garantie, dass sie sich in Abwesenheit ihres Herrn ebenso friedlich verhalten wie in seiner Gegenwart.
Angestrengt späht sie in Richtung Seeufer. Zwischen den Baumstämmen des Parks sind in einiger Entfernung die erleuchteten Fenster der Villa zu erkennen. Langsam wankt sie den Lichtern entgegen. Ihre Schnürstiefel hinterlassen tiefe Abdrücke im feuchten Boden. Das Gebäude scheint sich hinter den Baumstämmen zu bewegen, als wollte es sich verstecken.
Bei Tageslicht hatte die 1918 erbaute Villa wie ein malerisches belgisches Landschlösschen gewirkt, aus hellbraunen Brandsteinen gemauert, mit zahlreichen Mustern, die weiÃen Fenster und Türen von einem breiten Sandsteinfries gerahmt und das hochaufragende Dach mit Schieferplatten gedeckt. Der Grundriss, ein massives Quadrat, war für den Eingangsbereich eingeschnitten worden, so dass eine klassische U-Form entstand, aus deren Mitte sich der Eingang mit einem Bogen vorwölbte, überdacht von einem breiten Balkon, der von vier gedrehten Rundsäulen getragen wurde. Hinter den Säulen lag der Eingang, eine breite, zweiflügelige Tür aus Mooreiche.
Jetzt, bei Nacht, gleicht die Villa eher einer düsteren Festung, deren massige Umrisse sich erhaben aus der Dunkelheit schälen.
Als Liz die repräsentative Steintreppe vor dem Eingang betritt, springen zwei kugelförmige Lampen an, die den Aufgang rahmen. Liz kneift die Augen zu, geht unbeirrt die Stufen empor, zwischen den Säulen hindurch. Das Knirschen kleiner Steinchen unter ihren Stiefeln hallt unter dem Portal wider. Auf der schwarzbraunen Mooreiche der beiden Türflügel prangt jeweils ein glänzender Messing-Löwenkopf mit einem Klopfring im Maul. Rechts neben der Tür ist eine Messingklingel eingemauert, daneben ein Schild, blank poliert, jedoch ohne Namen. Wenn es nach dem Klingelschild geht, ist Victor von Braunsfeld nicht existent.
Liz streckt die Hand nach dem Türklopfer aus â sie vermutet, dass auch diese Klingel abgestellt ist â, da wird die Tür jäh aufgerissen. Liz erstarrt mitten in der Bewegung. Sie blickt direkt in die Mündung eines Jagdgewehrs. Der Besitzer des Gewehrs hat die Wange an den Kolben gelegt und funkelt sie über Kimme und Korn hinweg an. Seine Haltung verrät Ãbung im Umgang mit der Waffe. Sein schlohweiÃes Haar ist wirr, die Stirn von Zornesfalten zerfurcht.
»Hallo, Victor«, sagt Liz leise und macht einen halben Schritt zurück. »Sind Sie allein?«
Der alte Mann kneift die Augen zusammen, wie es viele ältere kurzsichtige Leute tun. Seine knöchrige Rechte umspannt den Abzug der Waffe. Ein heiseres Winseln lässt Liz nach unten blicken. Die beiden Dobermänner stehen in der Tür, neben ihrem Herrn. Langsam, fast zärtlich, dreht sie den Tieren ihre Handflächen entgegen. »Hallo Al, hallo Dex.«
Der gröÃere der beiden schwarzen Wachhunde kommt schnuppernd näher, stupst ihre Finger mit seiner braunen Schnauze an, dann beginnt er, Lizâ Handfläche zu lecken, an der noch der Geruch der Kauknochen haftet.
Der alte Mann schielt hinab zu seinem Wachhund, dann sieht er wieder hoch, zu der Frau vor seinem Gewehrlauf.
»Kauknochen«, sagt sie und zwinkert ihm zu.
»Liz?«, fragt er ungläubig. Langsam lässt er die Waffe sinken. »Sind Sie irre? Wie sind Sie
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