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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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dir auch nicht helfen.
    Er wird! Er ist immer noch mein Bruder.
    Ach ja? Ich glaube eher, du warst immer sein Bruder. Aber er deiner? Ich kann mich nicht erinnern …
    Mit jedem weiteren Tuten rücken die kahlen Betonwände der Zelle näher zusammen. Die Enge bedrückt ihn, und die Sorge um Liz schnürt ihm die Kehle zu.
    Er hat lange überlegt, ob er es wagen soll, David anzurufen. Vor einer Weile hatte er seine Handynummer in Liz’ Telefonverzeichnis gesehen. Inzwischen kennt er die Nummer auswendig, so oft hat er sie eingegeben und dann doch nicht angerufen.
    Tuuut … tuuut –
    Dann reißt der Ton abrupt ab. Weggedrückt, denkt Gabriel und sieht konsterniert auf das zerkratzte Display des abgegriffenen Telefons.
    Â»Was is’n das für ein Anwalt?«, fragt eine heisere Stimme durch das kleine Fenster in der Zellentür. »Nie da, wenn man ihn braucht, was? Vielleicht suchen Sie sich mal ’n andern.« Im Fenster taucht das Gesicht eines Polizisten auf, mit toten dunklen Augen und einem missgelaunt herabhängenden Schnauzbart, wie bei einem Walross, das es dauerhaft in die Wüste verschlagen hat. Fordernd wedelt der Polizist mit der offenen Hand im Fenster.
    Gabriel reicht ihm das Telefon. »Ich muss mit Grell sprechen.«
    Â»Im Moment sprechen Sie mit mir oder mit niemandem«, entgegnet der Polizist frostig. Unter seinem Schnauzbart zeichnet sich eine Hasenscharte ab, und auf seiner Kopfhaut kleben dünne fahlblonde Haare. »Und ansonsten rate ich Ihnen, meinen Vorgesetzten gefälligst mit dem Dienstgrad anzureden.« Er schlägt das Fenster zu, und Gabriel sinkt auf die durchgelegene Pritsche. Der grobe Stoff der braunen Decke kratzt an den Händen und riecht nach altem Schweiß.
    Ruhelos wandert sein Blick über die Zellenwände, die bis auf halbe Höhe lindgrün gestrichen sind, den Abfluss in der Zellenmitte, das Waschbecken und das Klo aus Stahl. Abwaschbar, bruchsicher und für Selbstmörder ungeeignet. Erinnerungen an die Conradshöhe krauchen aus ihren Höhlen.
    Nicht die Kontrolle verlieren, Luke. Denk an was anderes. Das ist vorbei, lange, lange vorbei.
    Mühsam drängt er die Bilder beiseite, und sofort ist die quälende Ungewissheit wieder da: Wo ist Liz? Was ist ihr passiert?
    Er starrt auf die grüne Farbe an der Wand, in der haarfeine Risse sind, wie Äderchen unter der Haut. Grün. Wie Liz’ Augen. Nur dass sie dunkler sind und hellwach. Und sie einen so durchleuchten können, dass sich die Schärfe ihres Verstands in ihnen spiegelt.
    Liz, die Journalistin. Damals, nach der Berlinale, als sie ihm hinterhergerannt war, war er davon ausgegangen, dass sie es nur auf das Band abgesehen hatte. Das Videoband, auf dem zu sehen war, wie er einen schwerfälligen zugekoksten Boxchampion gedemütigt hatte, der ihr an die Gurgel gegangen war. Trotzdem hatte er sich ködern lassen. Dass sie David erwähnt hatte, schien ihm damals Grund genug, diese Frau für ein paar weitere Minuten zu ertragen.
    In der Bar saßen sie einander die ersten zehn Minuten gegenüber, ohne dass ein einziges Wort fiel. Gabriel mit einem schwarzen Kaffee, Liz mit einem schwarzen Tee. Sie mochten beide keinen Zucker. Sie musterte ihn mit einem Blick, der ständig versuchte, in sein Innerstes zu sehen, scharf wie eine Klinge, die alles voneinander trennt.
    Schließlich senkte sie den Blick auf ihre Teetasse. » Treasure Castle  … sagt Ihnen das was?«
    Gabriel runzelte die Stirn.
    Â»Die Fernsehshow …«, half Liz nach.
    Â»Ich schaue kein Fernsehen.«
    Â»Nie?«
    Â»Nie.«
    Â»Warum?«
    Â»Ich kann Fernsehen nicht ausstehen.«
    Liz hob eine Augenbraue. »Sie können ganz schön viel nicht ausstehen.«
    Er zuckte mit den Schultern.
    Â»Und David Naumann?«, fragte sie. »Können Sie den auch nicht ausstehen?«
    Gabriel wandte den Blick ab.
    Hab ich’s dir nicht gesagt, Luke? Das war eine Scheißidee! Warum musstest du da auch auftauchen?
    Ich wollte ihn einfach nur sehen. Einfach nur mal sehen, wie David aussieht, verdammt.
    Schwachsinn! Kapierst du nicht, wohin das führt?
    Wohin denn?
    Dass du dich in Schwierigkeiten bringst natürlich!
    Das hat mit David nichts zu tun. Sie hat Hilfe gebraucht.
    Hilfe! Na klar. Und du musst dich natürlich sofort reinhängen und ihren Arsch retten.
    Schon gut, schon gut. Ich weiß.
    Du hast echt ein

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