Schnitt: Psychothriller
einen Streich spielen. Der Arzt lächelt sie an. Obwohl er um die fünfzig Jahre alt sein muss, ist sein Gesicht fast makellos, das Gesicht eines Engels, mit wenigen Falten, und selbst die tun seiner Schönheit und Jungenhaftigkeit keinen Abbruch. Vor ihr steht jemand mit dem Antlitz eines griechischen Halbgottes â wäre da nicht die andere Hälfte seines Gesichtes.
Diese andere, seine rechte Gesichtshälfte, sieht aus, als hätte man ihm die Haut abgezogen und stümperhaft wieder aufgenäht, wellig, voller Krater und Narben. Das Auge ist etwas nach unten verzogen und hat weder Wimpern noch eine Braue, so dass es kalt und mitleidlos auf sie herabstarrt, den Blick auf ihren Bauch gerichtet.
Liz wird plötzlich bewusst, dass sie schutzlos vor ihm liegt. Sie verspürt den Impuls, aus dem Bett zu springen, davonzulaufen, aber ihre Kraft reicht bei weitem nicht dazu.
Reià dich zusammen, blöde Kuh. Der Mann ist dein Arzt, und er kann nichts dafür, wie er aussieht!
Der Arzt lächelt wieder, jedoch ohne den Blick von ihrem Bauch zu lassen. Mit der rechten Hand hebt er Lizâ dünnes Krankenhausleibchen empor und schiebt es hinauf bis über ihre Brust, so dass sie nun nackt vor ihm liegt.
Als er das Leibchen loslässt, knirschen seine Finger. Liz erstarrt. Die Hand ist nicht aus Fleisch und Blut â es ist eine Prothese. Mit Entsetzen sieht sie auf den glänzenden harten Kunststoffarm, der unter den weiÃen Kittelärmel zurückgleitet. Und mit einem Mal fallen die Puzzleteile an ihren Platz.
Der Arm aus Stahl!
Vor ihr steht der Mann aus dem Park.
Sein Grinsen verzerrt die hässliche Gesichtshälfte zu einer furchtbaren Maske. Seine linke, fleischige Hand wandert hinunter zwischen Lizâ Beine. Die Krankenschwester steht mit geschlossenen Augen an der Wand, während der Zeigefinger des Mannes Liz berührt, durch ihre Schamhaare fährt und eine unsichtbare gerade Linie hinauf bis über ihren Bauch zieht.
Liz beginnt, unkontrolliert zu zittern.
»Herzlichen Glückwunsch, Liz«, sagt der Mann frostig. Seine Stimme ist weder hoch noch tief. »Feiern werden wir später, an einem ganz besonderen Tag. Aber erst muss ich unseren Gast erreichen.« Das Grinsen gerät zu einem versonnenen Lächeln. »Er muss nur noch ans Telefon gehen. Du kannst dir ja nicht vorstellen, wie lange ich darauf gewartet habe â und wie gespannt ich darauf bin, was er sagt.«
Die Brust des Mannes hebt und senkt sich, er ist sichtbar erregt. Sein Atem streicht über ihren wehrlosen Körper. Liz will sich aufbäumen, aber sie hat keine Kontrolle über sich. Gast? , denkt sie verzweifelt. Welcher Gast?
»Das passende Kleid für dich habe ich auch schon«, flüstert er. »Alles wird passen, wenn es so weit ist. Es wird perfekt sein. Und er wird leiden, wenn er dich sieht. Es wird sich anfühlen, als ob die Haut â¦Â«, er beugt sich tiefer über sie und haucht seinen Atem über ihre Brüste, »als ob die Haut auf seinem Fleisch verbrennt.«
Alle Taubheit, alle Erschöpfung und Müdigkeit sind von Liz abgefallen. Das Adrenalin pusht ihre Sinne, alles ist grauenvoll klar. Sie will schreien, aber der Tubus in ihrem Hals blockiert ihre Stimmbänder. Plötzlich wünscht sie sich nichts sehnlicher, als wieder das Bewusstsein zu verlieren. Ihr Atem gerät vollkommen aus dem Takt, es fühlt sich an, als ob sie gegen sich selbst anatmet und dabei erstickt. Sie will zurück zum Grund des Sees oder an irgendeinen anderen Ort, wo es keine Angst und keine Verzweiflung gibt.
Beängstigend rasch erfüllt sich ihr Wunsch.
Der Mann im weiÃen Kittel injiziert eine klare Flüssigkeit in ihren Venenzugang, dann erhöht er die Tropfgeschwindigkeit der Infusion.
»Wollen wir hoffen«, raunt der Mann ihr zu, »dass er sich nicht zu viel Zeit lässt, bis er das Telefon findet. Sonst werde ich ihm etwas anderes von dir schicken müssen.« Sein Blick gleitet über ihre Arme und Hände.
Das Zittern wird langsam schwächer.
Gabriel! Wo bist du? Hol mich hier raus! , schafft sie noch zu denken, bevor sie dahin treibt, wo sie hinwill, um das alles nicht mehr spüren zu müssen.
Kapitel 20
Berlin â 3. September, 06:27 Uhr
Gabriel zerrt mit Leibeskräften am Griff, aber das Laserschwert klemmt. Zieh es, mach schon, Luke, stell dich nicht so an! Sie wird sterben, und es ist deine Schuld.
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