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Schnitt: Psychothriller

Schnitt: Psychothriller

Titel: Schnitt: Psychothriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marc Raabe
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Aber irgendwie sind seine Hände zu klein. Und das Ding glüht so verdammt rot, so rot wie –
    Aber warum eigentlich rot ?
    Sein Schwert ist doch blau. Lukes Schwert war immer schon blau.
    Er sieht an sich herunter. Seine Zehen sind klein, Kinderzehen, und dazwischen klebt ein breiiges Zeug, das stinkt wie Erbrochenes. In den Händen hält er eine Kamera, durch die er an sich hinabschaut. Im Sucher sieht alles seltsam weit weg aus, selbst der Geruch scheint zu verschwinden.
    Â»Wir müssen gehen«, flüstert ihm David ins Ohr. Er sieht an ihm empor und wundert sich. Warum nur ist David so groß? Er sieht aus, als wäre er schon erwachsen. Er trägt einen blendend hellen Arztkittel und eine Nickelbrille. Seine Haare sind seltsam zur Seite geföhnt. David lächelt mit grellweißen Zähnen und zieht eine Spritze auf.
    Die Kamera beginnt zu piepsen, im Rhythmus eines Herztonsignals. Ein kleines flirrendes Batteriezeichen blinkt im Sucher. Akku leer. Der Sucher flackert, plötzlich reißt das Bild ab, und alles ist dunkel, und mitten aus dem allertiefsten Schwarz kommt diese Stimme, die Stimme seines Vaters, gottgleich dröhnend. »Aufwachen, Frühstück!«, immer wieder: »Aufwachen, Frühstück!«, bis er die Stimme nicht mehr erträgt und nach seiner Pistole greift. Er bekommt den Abzug mit seinen kleinen Fingern kaum zu fassen. Der Schuss klingt wie der Schlag einer Hand auf Metall. Aber Vater stirbt und stirbt nicht, stattdessen ruft er immer wieder: »Aufwachen!« Der nächste Schuss kracht so laut, dass er vor Schreck die Augen aufreißt.
    Der Traum zerspringt wie eine giftige Blase.
    Â»He. Aufwachen, Mann.« Das Walross schlägt mit der flachen Hand an die Zellentür. »Frühstück.«
    Gabriel erhebt sich, kalt schwitzend und zitternd wie ein alter kranker Mann. »Schon gut, schon gut«, murmelt er, geht zu der Tür und nimmt einen Blechteller und einen dünnwandigen Plastikbecher durch die Öffnung entgegen.
    Der Kaffee ist heiß, und er verbrüht sich die Finger. Das Brötchen schmeckt wie Pappe, die mit Käse und Salami belegt ist.
    Eine halbe Stunde später wird der Riegel der Zellentür krachend zurückgeschoben, und die Tür schwingt auf.
    Â»Auf geht’s«, sagt das Walross. »Der Psycho-Doc ist da.«
    Gabriel steht auf, viel zu schnell, und ihm wird schwindelig. Die Nacht über hat er kaum ein Auge zugetan. Er hat versucht zu schlafen, aber an der Grenze zum Schlaf lauerten die Alpträume.
    Der Vierschrötige packt ihn wieder am Arm und geleitet ihn zum Verhörzimmer. Der Geruch von Pfefferminz dringt Gabriel in die Nase. Selbst jetzt, um kurz vor sieben, kaut er Kaugummi.
    Das Verhörzimmer ist so triste und so schlecht beleuchtet wie am Tag zuvor. Gabriel setzt sich auf denselben Stuhl, mit der Tür im Rücken, und wieder setzt sich der Typ hinter ihn und schmatzt leise.
    Fünf Minuten später fliegt die Tür wieder auf, und der Duft eines teuren Herrenparfüms weht in das Zimmer. Gabriel dreht sich nicht um, er hat nicht vergessen, wie Dr. Dressler riecht, und es bereitet ihm noch heute Übelkeit. Dresslers schlanke Gestalt streift an ihm vorüber, nicht wie früher in seiner weißen Kluft, sondern in einem gutgeschnittenen dunkelblauen Anzug, darunter trägt er ein ebenfalls dunkelblaues Hemd.
    Dr. Dressler wirft klappernd seinen Schlüsselbund auf den Tisch, mit einem Dutzend silberner Schlüssel, dazwischen ein schwarzer elektronischer Porsche-Schlüssel. Um Dresslers Hals ist eine rosa Krawatte geschlungen, betont nachlässig gebunden.
    Â»Schön, dich wiederzusehen, Gabriel.« Dresslers Augen leuchten wässrig blau hinter einer schwarzen Ray-Ban-Brille. Seine immer noch vollen Haare sind ergraut und im gewohnten akkuraten Schwung nach rechts geföhnt. »Auch wenn ich mir andere Umstände gewünscht hätte. Darf ich mich setzen?«
    Gabriel sieht ihn wortlos an. Die Innenflächen seiner Hände sind so glatt und feucht wie Lederlappen.
    Dressler setzt sich, legt seine manikürten Hände auf die verkratzte Tischplatte und fixiert Gabriel. »Wie geht es dir?«
    Gabriel verschränkt die Arme und schweigt.
    Â»Ich weiß, Gabriel, du machst dir Sorgen. Aber das musst du nicht. Ich bin hier, um dir zu helfen«, sagt Dressler väterlich.
    Â»Ich brauch keine Hilfe.«
    Dressler lächelt gewinnend. »Mir wurde

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