Schnittmuster
ein eingespieltes Team und sofort zur Stelle.
Während sie fieberhaft sämtliche Apparaturen checkten, klingelte Felicias Handy. Als sie rangehen wollte, funkelte die Schwester sie böse an.
»Um Gottes willen, nicht hier drin, unterstehen Sie sich!«
Striker gestikulierte ihr, dass sie im Gang telefonieren sollte, und sie lieà ihn allein mit der Schwester und dem Arzt zurück. Er war froh darum.
»Patricia?«, begann er erneut.
Sie packte ihn am Arm. »Meine Tochter, bitte, meine Tochter.«
»Haben Sie eine Ahnung, wo sie sein könnte? Wir versuchen fieberhaft, sie zu finden.«
»Finden Sie sie, bitte . Sie müssen sie finden ⦠müssen sie finden â¦Â«
»Mit wem ist sie befreundet? Wo treibt sie sich für gewöhnlich rum? Gibt es jemanden, den ich anrufen kann?« Striker bestürmte sie mit Fragen.
»Drachen«, murmelte sie entkräftet, ihre Stimme nurmehr ein heiseres Flüstern. »Das Haus war voller Drachen.«
Einer der Apparate links von Striker piepste mehrmals hintereinander, woraufhin der Mediziner einen Blick mit der Schwester austauschte. Sie lief zu der Patientin, überprüfte die Kanülen und bedachte Arzt und Ermittler mit einem mütterlich strafenden Blick.
»Das warâs«, sagte Dr. Adler zu Striker. »Kein Wort mehr.«
Striker entgegnete nichts. Er trat zur Tür, wo er stehen blieb und sich zu den beiden umdrehte. Er beobachtete, wie die Schwester und der Arzt sich um ihre Patientin bemühten.
Von tiefer Traurigkeit übermannt, kämpfte er mit den Tränen. Die Frau auf dem Bett hätte ebenso gut Amanda sein können. Er erinnerte sich mit erschreckender Deutlichkeit, wie ohnmächtig er sich vor zwei Jahren gefühlt hatte. Als er definitiv wusste, dass seine Frau sterben würde, aber nicht den Schimmer einer Ahnung hatte, wie er es Courtney â sie war damals dreizehn â beibringen sollte, dass ihre Mom nie wieder nach Hause kommen würde.
Die Erinnerung schmerzte noch genauso sehr wie damals.
Er stand in der Tür und starrte versunken auf Patricia Kwan, bis die Schwester ihn sanft, aber entschieden in den Flur schob. DrauÃen lieà Felicia gerade ihr Handy zuschnappen.
»Das war die Gerichtsmedizin«, sagte sie. »Sie haben die Autopsieergebnisse von unserem letzten Schützen.«
Striker nickte.
Endlich mal eine positive Neuigkeit.
52
Es war schon spät. Rotmaske schleppte sich durch die dunkle, kalte Nacht, stand kurz vor einem Zusammenbruch.
Sein Ziel â ein mieses Rattenloch â war ein altmodischer Drugstore auf der East Georgia Street. Wie bei diesen Läden in Chinatown üblich, hingen drauÃen strahlend gelbe Neonreklamen, auf denen in leuchtendem Rot stand: Happy Health and Good Fortune Herbs and Pharmaceuticals .
Sheung Fa hatte ihn vor vielen Jahren mit hierhergenommen und gesagt: »Für dich stehen diese Türen immer offen.«
»Hoffentlich«, seufzte Rotmaske im Stillen. In seinem verletzten Zustand hatte er keine Alternative. Nach Hause konnte er nicht. Er würde nie wieder nach Hause zurückkehren. Zumal es keine gröÃere Ehrverletzung gab, als bewusst Unheil über das väterliche Haus zu bringen. Und er, Rotmaske, hatte inzwischen so viele Menschen auf dem Gewissen, dass das Böse an ihm klebte. Er fühlte es. Wie Leim auf seiner Haut.
Der Gedanke traf ihn hart. Er blinzelte. Wischte sich die Augen. Fühlte die Tränen, die über seine Wangen rollten. Er weinte tatsächlich. Das war ihm seit seiner Kindheit nicht mehr passiert.
Er blendete seine Befindlichkeit aus und lief weiter. Der Schmerz brachte ihn fast um. Er durfte ihm nicht nachgeben, er musste weiter, durchhalten, sonst würde er des Mädchens niemals habhaft werden.
Er fand die Adresse. Umklammerte das rostige Eisengeländer, schleppte sich die ausgewaschenen Betonstufen hinunter und stolperte durch die Dunkelheit zu dem Kellerloch. Die Tür war verschlossen. Er klopfte drei Mal, vernahm schlurfende Schritte.
Als die Tür aufging, gaben seine Beine mit einem Mal unter ihm nach, und er sackte in sich zusammen.
»Sheung Fa schickt mich«, murmelte er.
Er stammelte die Worte wieder und wieder, während er hilflos wie eine umgedrehte Schildkröte auf dem kalten nassen Estrich lag.
Bis ihm vor Schmerzen die Stimme versagte.
53
Die beiden Detectives verlieÃen das St. Paulâs Hospital durch den
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