Schnittmuster
den Bildschirm geladen wurden. Langsam und methodisch ging er mit Felicia sämtliche Aufnahmen durch, vergröÃerte und sortierte aus. Der Prozess war langwierig und anstrengend; nach vierzig Minuten tränten Striker die Augen. Es dauerte noch weitere zwanzig Minuten, bis er etwas fand. Er klickte von einem Foto zum nächsten, pfiff leise und hatte Felicias ungeteilte Aufmerksamkeit.
»Was?«, fragte sie gespannt.
»Schau dir mal die schlimmen Narben auf dem Körper von diesem Typen an. Auf der linken Körperseite.« Automatisch fluteten die Obduktionsergebnisse von WeiÃmaske durch Strikers Gehirnwindungen.
»Schrapnellwunden?«, fragte sie.
»Möglich. Und er hat eine Art Tattoo am Hals. Linke Seite.« Striker setzte sich kerzengerade hin und kniff die Augen zusammen. »Könnte ein Drache sein.«
Felicia rollte ihren Stuhl näher, während Striker die Abbildung vergröÃerte.
Auf dem Monitor war das Farbbild eines asiatischen Mannes zu sehen, Mitte bis Ende dreiÃig, langes, kantiges Gesicht. Schlank, keine GröÃenangabe. Er trug weiÃe Shorts, eine dunkle Pilotensonnenbrille mit Goldrahmen, es sah aus, als wollte er irgendwo an den Strand. Im Hintergrund war Wasser.
Striker inspizierte die Narben genauer. Sie waren wulstig, lang und uneben und heller als die Haut der Umgebung. Von einem plötzlichen Adrenalinschub befeuert, sah er sich das Tattoo am Hals an. Es war auf der linken Halsseite, lang und irgendwie zylindrisch, die Details jedoch waren nur schlecht erkennbar.
Er vergröÃerte den Bildausschnitt mit dem Tattoo.
Zweifach, vierfach, sechsfach, dann die achtmalige VergröÃerung ⦠Striker stockte der Atem, als der Ausschnitt gröÃer und deutlicher wurde. Die Tätowierung sah aus wie ein Seepferdchen, war aber in Wahrheit ein Drache, wie Striker inzwischen wusste. Rot und golden. Der Schwanz wand sich auf der linken Seite in den Nacken, der Kopf blickte einen über die Schulter hinweg an.
Striker fokussierte sich auf die linke Brustseite. Da stand die Zahl 13.
Wie elekrisiert las er die Bildunterschrift: Tran Sang Soone . Er wiederholte den Namen mehrmals laut, als könnte er es selbst nicht glauben.
Tran Sang Soone.
Sie hatten WeiÃmaske gefunden.
77
Striker lieà sich sämtliche Informationen geben, die der Inspektor über Tran Sang Soone gesammelt hatte. Während Ibarra im Nebenraum weitere Unterlagen zusammenstellte, scrollten sich die beiden Ermittler durch die Fotos, auf der Suche nach dem Mann, der ihnen bislang mehrfach entkommen war.
Rotmaske.
Striker hatte das Gesicht des Amokläufers zweimal gesehen, ein Gesicht, das er nie wieder vergessen würde. Genau wie Tran Sang Soone war Rotmaske schlank und sehnig und mittelgroÃ. Das Charakteristische an ihm waren die Augen, die tief in den Höhlen lagen, ihr starrer Blick leer und kalt. Solche Augen waren Striker in seinen sechzehn Jahren Polizeilaufbahn noch nicht untergekommen, und er erinnerte sich spontan an das, was Magui Yagata von Worldwide Translation Services im Zusammenhang mit den Roten Khmer gesagt hatte.
»Ein Ãberlebender .«
Inzwischen teilte er die Meinung der Ãbersetzerin. »Ich hab ein paar Infos zu Tran Sang Soone gefunden«, riss Felicia ihn aus seinen brütenden Gedanken. »Ich hab sein Geburtsdatum: 15. Januar 1964.«
»1964? Bist du sicher?«
»So steht es jedenfalls hier. Laut Angabe der Einwanderungsbehörde. Geburtsort Phnom Penh, Kambodscha.«
»Das muss nicht unbedingt stimmen. Kambodscha nimmt es da erfahrungsgemäà nicht so genau. Trotzdem â Datum und Ort passen perfekt in die Ãra Pol Pot und die Roten Khmer. Was hast du noch?«
Sie las weiter. »Er hat ein ausuferndes Vorstrafenregister. Himmel, der Typ hat nichts ausgelassen! Anklagen wegen Körperverletzung, Drogenhandel, Zuhälterei, Führung einer illegalen Spielhalle, Verleumdung â die Liste ist endlos.«
»Ist er mal verknackt worden?«
»Nöö. Blieb immer auf freiem FuÃ. Muss einen verdammt fähigen Anwalt gehabt haben. Er ist als Verdächtiger in zig Morden aufgeführt, von Vancouver bis Toronto. Einmal auch in Hongkong. Man konnte ihm allerdings nie etwas beweisen. Er hatte immer ein bombensicheres Alibi.«
»Das braucht er jetzt nicht mehr«, meinte Striker. »Jetzt sieht er die Radieschen von unten. Stehen da auch irgendwelche Mitverdächtige
Weitere Kostenlose Bücher