Schnittmuster
Voicemail endete mit einem lauten Piep. Er schaltete ab, rief zu Hause an. Auch dort Fehlanzeige. Bloà Courtneys Mädchenstimme auf dem Anrufbeantworter. Er fühlte sich grottenmies.
»Verdammte ScheiÃe!« Er knallte sein Handy ins Waschbecken.
»Sie ruft dich bestimmt zurück, Jacob.«
Er hob den Kopf. Sah seine Reflexion im Spiegel und Felicia, die eben den Jungenumkleideraum betrat. Anders als bei ihm war auf ihrer Kleidung kaum Blut. Sie trug blaue Latexhandschuhe, unter einem Arm ein Bündel Klamotten, in der Hand ein paar braune Papiertüten. Er hatte gar nicht mitbekommen, dass sie den Raum betreten hatte. Bisweilen war sie wie ein verdammter Fuchs. Aber jetzt war sie ein müdes Exemplar dieser Spezies. Trotz ihrer lebhaften spanischen Augen wirkte sie erschöpft. Ihre Bluse hing halb aus dem Hosenbund, ihr Gesicht sah älter aus als am Morgen.
Fast so alt, wie er sich fühlte.
»Erst ist immer besetzt«, erklärte er. »Und jetzt ist ihre Mailbox voll.«
Felicia schloss die Tür und ging mit langen Schritten durch den Raum. »Hey, sie war nicht hier, als die SchieÃerei losging, das haben mindestens zwanzig Leute bezeugt. Sie ist mit ihren Freundinnen in der Metrotown Mall. Schwänzt die Schule. Krass und cool. Also freak jetzt nicht aus.«
»Ich freak nicht aus.«
Der Blackberry lag auf dem Rand des Waschbeckens. Das Blut auf dem Display kontrastierte makaber mit der weiÃen Keramik. Striker wünschte sich, das Handy würde endlich klingeln. Den Gefallen tat es ihm jedoch nicht.
Felicia trat neben ihn, fasste ihn am Arm. »Alles okay mit dir?«
»Ich bin völlig okay.«
»Du zitterst.«
»Du erregst mich eben.«
Zwischen ihre Brauen schob sich eine steile Falte. »Du weiÃt, Jacob, wenn es dir noch zu früh ist, nachdem deine Frau ge â¦Â«
»Ist es nicht.«
»Ich mein ja bloÃ, Amanda ist noch nicht lange tot und â¦Â«
»Verdammt, Felicia, wir sind heute Morgen in eine SchieÃerei geraten, und jetzt sind wir wieder am Tatort. Es hat nichts mit Amanda zu tun! Es war nicht zu früh mit unseren Dates.« Er schloss milde schuldbewusst die Augen, als er merkte, wie banal das klang. »Lass es laufen, okay? Glaub mir einfach, und lass es so laufen, wie es jetzt läuft.«
»Na schön.«
Striker drehte den HeiÃwasserhahn auf. Der Plätschern klang unnatürlich laut in der Umkleide â und unterstrich die Tatsache, dass keine Jungen da waren, die sich für den Sportunterricht umzogen. Kein Lachen. Keine Scherze. Kein Gejohle. Bloà bleierne, überwältigende Stille.
Striker wusch seine Hände unter dem heiÃen Strahl und verfolgte, wie das weiÃe Waschbecken sich rosa färbte. Bei den ersten Teenagern hatte er noch Handschuhe getragen, aber das Latex wurde schnell glitschig, folglich hatte er darauf verzichtet. Inzwischen waren seine Hände rot verkrustet. Alles war rot.
Er schniefte leise und stöhnte gequält auf. Der Metallgeruch von altem, getrocknetem Blut stieg ihm in die Nase, Ãbelkeit erregend. Er konnte seine Haut noch so heftig abschrubben, das Blut schien förmlich an seinen Händen zu kleben.
Felicia räusperte sich. Sie legte das Bündel Kleider auf eine der Bänke und wippte nervös von einem Fuà auf den anderen. »Die hab ich von Holmes. Er hat ungefähr deine GröÃe. Ist ja auch egal, die sind wenigstens sauber.«
Er schrubbte akribisch weiter. »Brauch ich nicht.«
»Dein Hemd kannst du vergessen, Jacob. Schau dich bloà mal an, du bist voller Blut.«
»Ich zieh mich später um. Zu Hause.«
Sie seufzte schwer, als diskutierte sie mit einem störrischen Kind. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. »AuÃerdem wollen sie deine Sachen einkassieren.«
Er stockte mitten in der Bewegung.
»Wegen der SchieÃerei«, fuhr sie fort. »Das ist ein Befehl. Von Deputy Chief Laroche.«
»Laroche.« Striker hätte kotzen mögen. »Dieses kleine Stück ScheiÃe. Hat sich den halben Vormittag vor laufender Kamera rumgedrückt, während wir uns um die Kinder gekümmert haben.«
»Jacob!«
»Himmel, hat der überhaupt gemerkt, dass wir tote Kinder aus dem Gebäude geborgen haben? Oder hatte der zu viel Stress mit seinen Haaren und dass er vor der Kamera eine gute Figur abgibt?«
»Das ist ein bisschen hart, findest du nicht?«
»Ach
Weitere Kostenlose Bücher