Schnittmuster

Täter gefasst ist, und keine Sekunde eher.«
    Felicia blickte zu ihm hoch, ihr hübsches Gesicht angespannt und ihre spanischen Augen kohlschwarz wie ihre Pupillen. »Du spielst mit dem Feuer.«
    Â»Nein, Irrtum, ich versuche, es zu löschen.«
    Â»Jacob …«
    Bevor ihre Diskussion eskalierte, steckte einer der Kollegen von der Technikabteilung seinen Kopf in die Umkleide. Der Mann hatte ein extrem hageres Gesicht, eine Hakennase und einen riesigen Adamsapfel. Es war Ich (ausgesprochen »Ick« für Ichabod), wie ihn alle nannten. Wie Ichabod Crane in Sleepy Hollow – Köpfe werden rollen . Schweißperlen glitzerten auf seiner Stirn, und er war total außer Atem, als hätte er gerade einen Marathon hinter sich.
    Â»Gott, endlich find ich euch«, ächzte er.
    Â»Was liegt an, Ich?«
    Â»Los, kommt mit«, antwortete der. »Ihr müsst euch mal was anschauen. Etwas echt, echt … Merkwürdiges.«
11
    Rotmaskes Nerven waren zum Zerreißen gespannt.
    Er lief zu Fuß, östlich an Pender vorbei, drang tiefer in das Straßengewirr von Chinatown vor. Er hatte den Lexus längst irgendwo stehen gelassen. Das war jedoch nicht das Problem. Seine gesamte Aufmerksamkeit galt dem Schmerz in seiner Schulter. Er pulsierte, schlängelte sich durch seinen Körper ähnlich den langen Tentakeln einer Krake. Er war schon einmal ohnmächtig geworden. Hatte deswegen jede Menge Zeit verloren.
    Er konnte es sich nicht leisten, dass so was nochmal passierte.
    Das Fortune Happy Restaurant lag im Herzen von Chinatown. Der Name prangte in blutroten Lettern auf schmutzig goldenem Untergrund. Kim Pham hatte die Location ausgesucht, nicht wegen der Größe oder dem Schmuddelimage, sondern wegen der Adresse.
    Nummer 426. Das war enorm wichtig.
    Rotmaske schob sich durch die Drehtür, schmierte Blut auf das Glas. Drinnen schlug ihm der Geruch von Ingwerkrabben und schwarzer Bohnensauce entgegen. Prompt kam ihm die Magensäure hoch, und er schluckte heftig.
    Das Personal starrte ihm fassungslos nach, als er in den Küchenbereich wankte. Hinter ihm erhob sich das Gemurmel ängstlicher Gäste. Ein hohes schrilles Kreischen wie bei aufgeschreckten Vögeln. In der Küche verzogen weder der Koch noch die Küchenhilfen eine Miene oder starrten ihn an.
    Er kam sich vor wie ein Geist.
    Am Ende der Küche sah er die schwarz gestrichene Tür. Und taumelte hindurch. Schlagartig umfing ihn der Duft von Whisky. Mah-jong-Plättchen klapperten laut, es klang wie Marmor auf Granit. Und es wurde geraucht. Graue Rauchschwaden hingen über dem Spieltisch.
    Rotmaskes Blick flog durch den Raum. In einer Ecke saß Kim Pham, stets der großzügige Gastgeber, bot er seiner Klientel feinste Whiskysorten an. Er war dreißig und gekleidet wie immer – weißer Anzug, weißes Hemd, schwarze Krawatte, eine goldgerahmte Sonnenbrille steckte auf seinem Kopf. Sein ölig schwarzes Haar hatte blonde Spitzen.
    Kim Pham blickte auf, seine Augen verdunkelten sich. »Fuck, Fuck, Fuck!« Er schnappte sich zwei von seinen Leuten. »Los, bringt ihn nach unten – und holt einen Arzt. Schnell.«
    Die Männer, beide in dottergelben Anzügen, hakten Rotmaske kurz entschlossen unter und schleppten ihn unnachgiebig zur Treppe, die in einen langen, dunklen Tunnel mündete.
    Tiefer, tiefer, tiefer, die Stufen nahmen kein Ende.
    Rotmaske sträubte sich nicht. Sein Kopf war leer und leicht – wie ein Ballon, der davonflog. Er schwebte über allem. Schwebte an jenen dunklen, makabren Ort, um jenen bösen Geistern zu entfliehen.
12
    Striker stürmte aus der Jungenumkleide und durch den Flur. Unterwegs inspizierte er Wände und Decken nach Überwachungsmonitoren. Oben waren in jeder Ecke Videokameras angebracht. Es waren alte Modelle – große schwarze sperrige Dinger. Striker bemerkte, dass sie weder nach unten schwenkten noch seine Bewegungen verfolgten.
    Das war keine gute Nachricht.
    Striker folgte Ich und Felicia in den Überwachungsraum. Als Laroches nasale Stimme zu ihm drang, nahm er die Abkürzung durch die Schulaula. Die Bühne gähnte leer und dunkel, der ganze Raum vermittelte eine düstere Atmosphäre.
    Striker bot sich ein makabrer Anblick. Eingetrocknete Blutspritzer klebten auf den Stufen zur Bühne, irgendjemand hatte ein gelbes Star-Trek-Kostüm liegen lassen. Es war zerrissen und blutverschmiert. Plötzlich