Schnittmuster
zustimmend. »Konzentrier dich auf den Debattier-Club.«
»Debattier-Club?«
»Klingt sonderbar, ich weiÃ, aber nach meinen Gesprächen mit Caroline und einigen Lehrern ist der Club offenbar die einzige Verbindung zwischen den dreien. Chantelle OâRiley und Tina Chow waren in der zehnten Klasse, hatten aber auÃerhalb des Unterrichts keinerlei Berührungspunkte, sondern hingen in komplett unterschiedlichen Cliquen ab. Und Conrad MacMillan war in der Achten und sprach nicht mit den Mädchen â auÃer im Debattier-Club. Sowohl Conrad als auch Chantelle und Tina gehörten dazu, so viel hab ich inzwischen rausbekommen.«
Striker löste nachdenklich seinen Sicherheitsgurt. »Alles klar mit dir?«, fragte er.
»Nöö, aber hat dich das schon jemals interessiert?« Sie schwang sich aus dem Wagen.
Striker folgte ihr schweren Herzens. Er hatte keine Ahnung, worüber er im Einzelnen mit den beiden Frauen reden sollte.
Während Felicia mit Margaret MacMillan zum rückwärtigen Eingang des Hauses schlenderte, steuerte Striker mit Doris Chow in Richtung Garten. Er kannte Tinas Mutter bislang nicht und fand, dass sie ihrer verstorbenen Tochter sehr glich.
Doris war klein, er schätzte sie auf höchstens einen Meter fünfundsechzig. Sie war schlank und sehnig, für eine Frau in den Vierzigern gut in Form. Ihr von Natur aus schwarzes Haar hatte eine dezent burgunderrote Tönung und war zu einem Pferdeschwanz hochgebunden, mit einem grasgrünen Haargummi, das sich mit ihrer Haarfarbe und ihrem weinroten Jogginganzug biss. Sie trug kein Make-up, so dass die Linien unter ihren Augen und um den Mund ihr wahres Alter verrieten, trotzdem war sie eine attraktive Frau.
Sie unterhielten sich angeregt.
Striker nahm sich Zeit für das Gespräch. Anfangs diskutierten sie über Belanglosigkeiten, wie lange sie verheiratet war, wann sie nach Kanada ausgewandert war, ob sie eine groÃe Familie hätte und so weiter. Dabei kreiste ihm ständig ein Gedanke durch den Kopf: Was wäre, wenn Courtney eines der Opfer wäre?
Die Vorstellung machte ihn halb verrückt.
Sie erreichten das Ende des Gartens, wo ein paar kahle Büsche und eine einzelne Zierkirsche standen. Der Baum war locker zehn Meter hoch und blühte. Etliche Blüten waren schon abgefallen, malten pinkfarbene Tupfen auf das eisverkrustete Gras und den dunklen Rindenmulch.
Doris hob eine auf. Sie rieb die Blütenblätter zwischen ihren Fingern und murmelte: »Die Zierkirsche war ihr Lieblingsbaum.«
»Das kann ich verstehen.«
Während sie dort stand und die hübsche rosa Blüte in ihrer Hand betrachtete, erkannte Striker unvermittelt ihre andere Seite. Die zerbrechliche Doris Chow. Angespannt wie ein überdehntes Gummiband, das der Zugkraft nicht standhielt. Es schmerzte ihn, sie derart zu bedrängen. Es war aber leider nicht zu vermeiden.
Er drehte sich zu ihr, fixierte sie. »Mrs. Chow, haben Sie schon mal darüber nachgedacht, warum? Warum ausgerechnet Tina?«
Sie sah von der Blüte auf. »Es gibt kein Motiv. Bloà ein paar brutale Kids mit Waffen, die jeden erschossen haben.«
Striker fing ihren Blick auf und schüttelte den Kopf. »Es steckt mehr dahinter, tut mir leid, wenn ich das so schonungslos sage. Ich denke, die Täter haben ganz bewusst auf Tina gezielt.«
Doris wurde aschfahl im Gesicht. »Ganz bewusst? Auf Tina?«
»Ja. Haben Sie eine Vorstellung, weshalb?«
»Aber es gab noch viele andere Kinder â¦Â«
»Es wurden viele Kinder erschossen, Mrs. Chow, ja, ich weiÃ. Aber nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen zu urteilen, wurde auf drei Schüler gezielt geschossen. Auf Tina, auf Conrad MacMillan und auf Chantelle OâRiley.«
Um Dorisâ Mundwinkel zuckte es, sie fasste sich jedoch wieder.
»Aber meine Tochter war mit diesen Kids nicht befreundet. Ich hab Margaret heute Morgen erst kennen gelernt.«
»Ich weiÃ, und das macht die Ermittlungen so schwierig. Es muss da irgendeine Verbindung geben, und es ist unsere Aufgabe, das herauszufinden.«
Doris lieà den Blick über die Berge schweifen. Der milde Herbstwind blies ihr die Ponyfransen aus dem Gesicht, und sie zupfte abwesend an ihrem Haargummi. So standen sie für einen langen Augenblick da.
»Verzeihen Sie, ich kann es noch immer nicht fassen. Ich dreh allmählich durch.«
Striker versuchte sie abzulenken.
Weitere Kostenlose Bücher