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Schnittmuster

Titel: Schnittmuster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Slater Sean
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»Ich hab gehört, dass Tina bei einem Diskussionsforum mitgemacht hat.«
    Es schien zu funktionieren. »Der Debattier-Club. Oh … ja. Da ging sie wahnsinnig gern hin. Schloss dort Freundschaften. Hatte einige wundervolle Erlebnisse. Wissen Sie, letzten September machten sie eine Reise. Alle zusammen. Zwölf Schüler und Schülerinnen, glaube ich.«
    Â»Wo waren sie?«
    Â»In Hongkong. Tina war so aufgeregt, sie sprach wochenlang von nichts anderem.« Bei der Erinnerung lächelte sie traurig. »Sie diskutierte gern und viel.«
    Â»Welche Themen haben die jungen Leute beschäftigt, hier und in Hongkong?«
    Sie zuckte mit den Schultern. »Für gewöhnlich alles, was gerade aktuell war. Und brandheiß – sie liebten brandheiße Themen. Abtreibung. Die Todesstrafe. Aktive Sterbehilfe. Als sie nach Hongkong flogen, hatten sie es mit den Themen Freiheit und die großen Weltreligionen. Nationale Souveränität. Dabei ging es um Chinas Herrschaft über Tibet. Das sorgte für einen ziemlichen Wirbel – sie mussten ihre Diskussionsrunde abbrechen.«
    Â»Weswegen?«
    Â»Dazu kann ich Ihnen leider nichts sagen.«
    Striker überlegte. »Hat Tina über das Thema referiert?«
    Â»Soweit ich weiß, waren alle daran beteiligt.«
    Â»Sie sind nicht mitgeflogen?«
    Â»Nein, Mrs. Myers war mit.«
    Striker notierte sich die Information.
    Â»Haben Sie Kinder, Detective Striker?«, wollte Tina Chow plötzlich wissen.
    Striker fiel ein, dass Courtney Tina gekannt hatte, wovon Doris offenbar nichts wusste. »Ja, eine Tochter. Sie besucht die St. Patrick’s.«
    Â»Ist sie … okay?«, japste Mrs. Chow entsetzt.
    Â»Ja, sie hatte gestern die Schule geschwänzt.«
    Doris lächelte, als fände sie das lustig. Sie kicherte gequält, wie um ein Schluchzen zu überspielen. Die pinke Blüte entglitt ihrer Hand und schwebte langsam zu Boden. Schwebte davon wie Tinas Seele, deren Leben vor nicht mal vierundzwanzig Stunden ausgelöscht worden war.
    Ihre Mundwinkel bebten, bemerkte Striker, da sie zunehmend den Kampf mit ihrem inneren Gleichgewicht verlor.
    Â»Verzeihen Sie«, sagte er hastig.
    Doris nickte, und dann kamen die Tränen, liefen unaufhaltsam über ihre bleichen, eingefallenen Wangen.
    Â»Genießen Sie jeden Tag mit ihr, Detective«, schluchzte sie kaum hörbar. »Jede Minute, jede Sekunde. Loben Sie sie. Erfreuen Sie sich auch an den kleinen Dingen … Sie sehen ja selbst, wie schnell einem das Kind genommen werden kann.«
36
    Zum dritten Mal innerhalb der letzten zehn Minuten klingelte das Telefon. Courtney schleppte sich schließlich aus dem Bett und blinzelte auf das Display des Radioweckers. Die Schlafzimmervorhänge blendeten das Sonnenlicht aus, es war dunkel im Raum, der Laminatboden kalt unter ihren Fußsohlen, als sie durch den Flur ins Wohnzimmer tappte.
    Hoffentlich kam der Anruf von Raine. Raine war die Einzige, die sie verstand. Sie hatten dieselbe Wellenlänge, waren unzertrennlich. Courtney hatte vor knapp zwei Jahren ihre Mutter verloren, und Raines Vater war letztes Jahr, nach der Scheidung von ihrer Mutter, nach Hongkong gezogen. Das machte sie zu Seelengefährtinnen.
    Fast so was wie Schwestern.
    Im Wohnzimmer war es genauso kühl wie im Schlafzimmer, obwohl die Sonne hereinschien. Es roch nach Kaminrauch, Whisky und Zitrone. Courtney lief zum Kaffeetisch, auf dem noch die leeren Becher standen, und angelte nach dem Telefon. Sie starrte auf das kleine Display.
    Anrufliste.
    Sie drückte auf den Knopf, woraufhin Dads Handynummer auf dem Display eingeblendet wurde. Himmel, war der hartnäckig. Sie scrollte weiter. Er hatte drei Mal angerufen. Total hartnäckig. Stur wie ein Esel.
    Sie stellte das Telefon zurück auf die Ladestation und entdeckte ihr Handy, das aufgeklappt vor dem Kamin lag, die graue Kunststoffummantelung an der Seite gesplittert, wo es an die Wand geprallt war. Das machte sie wütend, weil sie das verdammte Ding nicht mal ganz abbezahlt und bloß wegen Felicia so überreagiert hatte.
    Sie schaltete es ein und war erleichtert, dass es noch funktionierte. Neun entgangene Anrufe. Zwei waren bekannte Nummern, die anderen bestimmt von Leuten, die sie wegen der Schießerei löchern wollten.
    Courtney löschte die unbekannten Telefonnummern. Sie hatte null Interesse daran, über die Schießerei zu diskutieren. Weder jetzt noch

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