Schnittmuster
Prostituierten, mit denen er zu tun hatte. Inzwischen war sie wie alle anderen â eine verzweifelte Süchtige. Immer einen Schritt vor dem Abgrund balancierend, mehr tot als lebendig.
So war das Leben in den Skids. Ein ScheiÃleben.
»Hier hängt sie für gewöhnlich rum«, meinte Striker zu Felicia. »Halt die Augen offen.«
Sie fuhren über das alte, von Schlaglöchern zerfressene Pflaster der Blood Alley auf die Nordseite vom Stanley Hotel, der letzten Absteige für Drogensüchtige, bevor sie auf der StraÃe schliefen. Strikers Blick glitt durch die kleine StraÃe. Kopfsteinpflaster, vom Regen und vom Zahn der Zeit grün patinierte Gusseisenlampen, ein kleiner Platz, versteckt hinter Ahornbäumen und Blumenkübeln. Die Szenerie mutete friedlich, fast idyllisch an. Aber das hier war Blood Alley.
Hier gab es nichts als Schmerz, böse Erinnerungen und Tod.
»Schau mal nach links«, wies Felicia ihn an.
Striker blickte über den Platz und entdeckte Trixie ebenfalls. Die gesuchte Frau lehnte an der Mauer vor einem der verwinkelten Kellervorsprünge, ihre Silhouette von der rostigen Treppe verschattet.
Sie fiel Felicia auf, weil sie sich in spastischen Zuckungen wand. »Sie ist bestimmt auf Turkey«, tippte sie.
Striker nickte abwesend.
Trixie schwankte vor und zurück. Wie ein altes Holzhaus bei einem Erdbeben. Ihre Muskulatur zuckte unkontrolliert. Ihre Beine zitterten. Sie stöhnte und keuchte so laut, dass die beiden es im Wagen hören konnten.
»Mann, ist die schlecht drauf«, sagte Striker. Er fuhr langsamer, stellte das Automatikgetriebe in Parkstellung. Sprang aus dem Wagen, spürte einen kalten, feuchten Luftzug auf seinem Gesicht. Er sprang über das rostige Eisengeländer und verschwand in der Dunkelheit. Felicia folgte ihm. Neben Trixie stand ein Typ â ein clean aussehender WeiÃer, dem es zweifellos um einen billigen Blowjob oder eine Nummer ging. Sie musterte ihn kalt.
»Verschwinde, du Arschloch«, schnauzte sie ihn an.
Er sagte keinen Ton â die mit dem schlechten Gewissen beschwerten sich selten â, sondern hetzte mit langen Schritten in die andere Richtung, froh und dankbar, dass die Bullen ihn nicht weiter behelligten. Dass seine Frau und seine Kids nichts erfuhren. Als er auÃer Hörweite war, bedachte Striker Trixie mit einem langen harten Blick und schüttelte den Kopf.
»Wenn du so weitermachst, bringst du dich noch um.«
Trixie fixierte ihn, als würde sie ihn zwar wiedererkennen, aber nicht auf seinen Namen kommen, obwohl er sie mindestens dreiÃigmal verhaftet und andauernd mit ihr zu tun hatte. Sie machte einen zittrigen Schritt nach vorn, in den Lichtkegel einer der alten Laternen, und blinzelte zu ihm hoch.
»Detective Striker?«
»Aha, du weiÃt also, wer ich bin.«
Er musterte sie, und was er sah, tat ihm in der Seele weh. Angestrahlt von der Laterne, zeigte sich ihm die schonungslose Wahrheit: Sie sah schrecklich heruntergekommen aus. Ihre Kleidung zerlumpt. Ihr Körper erschreckend mager, durchschimmernde Haut auf spitz vorstehenden Knochen. Sie litt unter Entzug. Ihr rechtes Auge war zugeschwollen, ihr Gesicht fleckig dunkel wie eine überreife Banane. Sie war getreten und verprügelt worden, vermutlich wegen Crack-Schulden.
Und hier unten in dem Sumpf bedeutete das: eine Fünfdollarnutte.
Striker blendete sämtliche Emotionen aus. Anders war es nicht möglich. »Du hast deinen Stammplatz verlassen, Trixie. Das ist gegen die Vorschriften.«
Panik zeigte sich auf ihrem Gesicht. »Nein, nein, ich â¦Â«
»Dein Radius ist vier Blocks von der Abbott Street.«
»Bitte, Detective Striker, bitte, bitte, bitte.« Sie klang schwach und verzweifelt. »Ich bin krank, ich bin total auf Entzug, ich brauch was. Ich brauch dringend Stoff«, schleuderte sie ihm wütend entgegen, als er nicht reagierte.
Striker sah, dass sie litt, versagte sich jedoch jedes Mitgefühl, denn Mitgefühl gehörte nicht zu seinem Job. Er nickte zu Felicia, woraufhin beide gleichzeitig vortraten und Trixie Handschellen anlegten. Sie schoben sie in das Polizeifahrzeug und brachten sie zurück an die Ecke Gore und Pender.
Es wurde Zeit für ein paar Antworten.
43
Courtney hatte keine Ahnung, wie spät es war, aber als sie den Blick von ihrem Computerbildschirm nahm und aus ihrem Zimmerfenster schaute, war es drauÃen dämmrig. Kein
Weitere Kostenlose Bücher