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Schnittmuster

Titel: Schnittmuster Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Slater Sean
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747, um sich die Beine zu vertreten. Mit knapp einem Meter achtzig war er groß für einen Asiaten – und schlaksig. Arme und Beine muteten extrem lang für seinen Torso an.
    Nach der Rückkehr an seinen Sitzplatz nahm er den Laptop auf den Schoß, den man ihm in Macau gegeben hatte. Er schaltete ihn ein, gab sein Passwort SWORDS ein und wartete, dass der Rechner hochfuhr. Er hatte zwei Tickets gekauft und belegte sowohl den Fensterplatz als auch den Mittelplatz.
    Als die Stewardess vorbeikam und ihn fragte, ob er Tee oder Kaffee haben wolle, sagte er: »Tee, schwarz.« Als sie ihn fragte, ob er noch etwas wünsche, antwortete er: »Nein.« Dies waren seine ersten Worte, seitdem er am Vortag auf der anderen Hälfte des Globus in die Maschine gestiegen war.
    Er wartete schweigend, sein Blick auf den vorderen Sitz geheftet. Als die Flugbegleiterin ihm das Getränk reichte, klappte er das Tablett des Mittelsitzes herunter und stellte die Teetasse dort ab. Wartete, dass sie weiterging.
    Dann machte er sich an die Arbeit.
    Der Laptop war mit einem schwenkbaren Bildschirm ausgestattet. Er drehte ihn um vierzig Grad nach links, zum Fenster hin, damit er für Dritte uneinsehbar war. Er tippte sein zweites Passwort THUNDERBOLTS ein und öffnete damit das mit FolderSecure geschützte Dokument.
    Bilder wurden eingeblendet.
    Auf dem Bildschirm erschienen fünf Bilder. Vier waren Kindergesichter, lachend, fröhlich. Eines davon lebte vermutlich noch, aus bislang ungeklärten Umständen. Das fünfte war das Bild eines Mannes, den er jahrzehntelang nicht mehr gesehen hatte. Nicht mehr seit jenen schlimmen, schlimmen Zeiten, an die er nie mehr zurückdenken mochte. Der Anblick weckte eigenartige Empfindungen in ihm.
    Der Mann mit dem Bambuskreuz betrachtete die Bildausschnitte für eine lange Weile, während die Maschine den Pazifik überquerte und den kanadischen Luftraum erreichte. Er fuhr den Computer erst herunter, als die Stewardess ankündigte, dass sie in Kürze landen würden.
    Er stellte die Lehne gerade und schwieg. Starrte auf den Sitz vor sich, während der Jet zur Landung ansetzte.
    Vancouver, Kanada.
    Er war angekommen.
42
    Striker und Felicia überließen Rothschild den Tatort und fuhren langsam durch die Skids. Es war kurz vor zwei. Über ihnen verschattete sich der eisblaue Himmel zunehmend mit einem deprimierenden Zinngrau.
    Das passte zu den Gebieten, die sie durchquerten – die Raymur-Unterführung mit ihren Transen und Nutten, Pigeon Park, wo der Drogenhandel florierte, die Oppenheimer mit ihren randalierenden Säufern, Blood Alley, das Mekka der Drogensüchtigen und Durchgeknallten.
    Zuweilen mutete diese Stadt wie ein einziges Irrenhaus an.
    Die beiden Detectives waren auf der Suche nach Carol Kalwateen. Von ihr erhofften sie sich Aufschlüsse über die Identität der drei Toten in dem Van. Carol, Straßenname Trixie, war fünfundvierzig und ging in den Skids, in Chinatown und den Strathcona Projects anschaffen. Sie kannte sich in der Gegend aus, sie war Nutte, solange Striker denken konnte.
    Trixie hatte als hoch bezahltes Callgirl angefangen und war bei den asiatischen Gangs populär gewesen. So populär, dass sie ihnen irgendwann bei ihren Business Deals geholfen hatte: Sie hatte Schmiere gestanden, Alibis geliefert und sich dafür fürstlich entlohnen lassen.
    Damals hatte sie verdammt gut verdient.
    Irgendwann war sie die Geliebte eines mittelprächtigen Drogenkuriers für die Red Eagles gewesen. Der Typ hieß Ngoc. Das war mittlerweile Jahrzehnte her. Danach hatte Trixie von Gang zu Gang gewechselt, sich internationale Connections aufgebaut und richtig Kohle gemacht. Das Geschäft lief extrem gut.
    Bis sie damit begonnen hatte, ihr eigenes Produkt zu konsumieren.
    Nach zwei Jahren hing Trixie an der Nadel – vornehmlich Heroin und Crack, aber auch andere Drogen. Sie nahm alles, was sie kriegen konnte. Methadon. Fälschte das eine oder andere Rezept. Sie brauchte immer mehr, dass ihr eigener Konsum irgendwann den Profit von ihren Drogendeals auffraß. Sie begann zu stehlen und ging wieder auf den Strich, fertigte bis zu zwanzig Schwänzen täglich ab.
    Und das sah man ihr an.
    Jedes Mal, wenn Sriker sie sah, kam sie ihm dünner und ausgezehrter vor. Dabei hatte sie ganz passabel ausgesehen, als er sie kennen lernte. Er hatte sie irgendwie gemocht, fand sie netter als die anderen

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