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Schnittstellen

Schnittstellen

Titel: Schnittstellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Abens
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Leistungen kann es ja nicht liegen, dass du die Schule verlässt?«
    Meike schüttelt den Kopf. »Ich möchte einfach arbeiten. Immer nur Theorie und Klausurendruck. Das will ich nicht mehr.«
    »Und wie kommst du auf den Beruf des Bestatters? Entschuldigung, darf ich überhaupt ›du‹ sagen?« Meike nickt, und Herr Kuckensiel fährt fort. »Das ist nicht gerade die übliche Wahl für ein junges Mädchen.«
    Ich bin froh, dass Meike ihre extravaganten Auffassungen nicht auf der Stirn geschrieben stehen. So in der Art: Das Leben ist finster und Heile-Welt-Jobs sind nichts für mich und hier kann ich wenigstens schwarze Klamotten tragen.
    Meike verweist klugerweise auf ihr Großtante väterlicherseits, die ein Bestattungsunternehmen hat. Die lebt aber am Niederrhein, und Meike würde lieber in Köln bleiben.
    Herr Kuckensiel nickt. »Es kann natürlich sein, dass du nach kurzer Zeit feststellst, das dieser Beruf nichts für dich ist, darum sollten wir erst ein Praktikum vereinbaren. Natürlich können wir dann auch von unserer Seite sehen, ob wir zusammenpassen.«
    Verblüfft schauen wir ihn an. Das geht ja in einem rasanten Tempo.
    Der Beerdigungsunternehmer bemerkt unsere Überraschung.
    »Ja, Sie sind einfach zur rechten Zeit am rechten Ort. Eine Hilfskraft hat sich als sehr unzuverlässig erwiesen. Und der Beruf des Bestatters ist gerade erst zum Ausbildungsberuf deklariert worden. Mein Sohn, der den Betrieb einmal übernehmen soll, ist einer der ersten Auszubildenden, die diesen Weg gehen. Dadurch ist er nun oft wochenweise weg. Es gibt nur zwei Berufsschulen, natürlich keine direkt in unserer Nähe, und der Unterricht findet im Block statt.«
    Wir nicken verständig. Was Meike denkt, weiß ich nicht, aber ich höre erst mal nur »zur rechten Zeit am rechten Ort« und warte auf weitere Ausführungen.
    »Wir sind ein Familienbetrieb. Da musst du entscheiden, ob dir das liegt. Außer meinem Sohn und mir gibt es zurzeit nur noch unsere langjährige Sekretärin, Frau Müller, die aber erst übernächste Woche aus ihrem Urlaub zurückkommt. Sie würde dich mit den Büroarbeiten vertraut machen, die in einem Geschäft wie dem unseren anfallen. Na ja, ich will jetzt nicht vorgreifen. Ich gebe dir den Vertrag mit, und du gibst mir bis Ende der Woche Bescheid, ob du das Praktikum absolvieren willst.«
    Nach einer freundlichen Verabschiedung verlassen wir das Beerdigungsinstitut gemessenen Schrittes, dann rennen wir erst einmal ein Stück, um uns dann außer Sichtweise lachend in die Arme zu fallen.
    »So was«, sage ich. »Jetzt kannst du schon nächsten Montag anfangen, wenn du willst.«
    Meike nickt. Sie strahlt einen Optimismus aus wie lange nicht mehr.
    Meike
    Das Vorstellungsgespräch lief viel besser, als ich gedacht hatte. Dass ich bereits am nächsten Montag mit einem Praktikum beginnen kann, wenn ich es möchte … das ist so genial! Heute Morgen war ich ganz schön aufgeregt und nervös. Ich war aber froh, dass ich endlich mal zu einem Anlass schwarze Kleidung tragen konnte, ohne dass meine Mutter meckert, weil es so trist aussieht. Natürlich habe ich mir die Augen nicht ganz so stark umrandet wie sonst; ich habe meine schwarze Nadelstreifenhose und ein schwarzes, langärmliges Shirt angezogen. Und meine schwarz-weißen Chucks … die sind natürlich nicht ganz so toll, aber andere dunkle Schuhe habe ich nicht, immerhin habe ich vorher die Spikes rausgenommen, die ich reingeschraubt hatte.
    Das Bestattungsinstitut ist recht klein, aber wie alle anderen hat es Urnen im Schaufenster stehen. Allein das ist toll. Urnen, Särge, Tote. Was will man mehr? Ich mag das Leben nicht und beim Bestatter bin ich sicher näher am Tod als manch anderer. Zwar nicht an dem eigenen, aber immerhin. Herr Kuckensiel hat mich gefragt, wie ich darauf komme, beim Bestatter anfangen zu wollen. Natürlich habe ich nicht erzählt, dass mir Tote weitaus lieber sind als Lebende, dass ich mit dem Tod nichts Negatives verbinde oder dass ich fasziniert von Särgen und Gruften bin oder dergleichen. Ich weiß nicht mehr genau, was ich gesagt habe. Manchmal vergesse ich Dinge, die ich sage, wenn ich besonders aufgeregt bin. Aber es war wohl in Ordnung, sonst hätte ich schließlich nicht das Angebot bekommen, mit einem Praktikum zu testen, ob mir der Job zusagt und ob ich mich überhaupt dafür eigne. Ich bin unglaublich froh darüber, dass es so schnell geklappt hat. Endlich ist diese grauenerregende Schulzeit vorbei und es hat ein Ende, dass

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