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Schnittstellen

Schnittstellen

Titel: Schnittstellen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anja Abens
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Verstorbenen beklebt. Diese Kreuze werden auf die Gräber gestellt, bis der Grabstein fertig ist. Herr Kuckensiel hat mir gezeigt, wie man die Buchstaben aufklebt. Die Abstände zu den jeweiligen Kanten werden mit einem Lineal abgemessen, und der Abstand zwischen den Buchstaben sollte natürlich auch immer ungefähr gleich groß sein. Ich hab mich anfangs etwas schwergetan. Das tue ich immer, wenn ich etwas Neues lernen will, das mehr oder weniger wichtig ist. Wenn ich etwas machen muss, das nachher beurteilt wird, dann frage ich lieber ein paarmal öfter nach, ob ich es richtig verstanden habe, bevor ich mit einem Ergebnis ankomme, das nicht akzeptabel ist. Wahrscheinlich nervt meine Fragerei, mich jedenfalls nervt meine Fragerei, schließlich frage ich gar nicht gern, ich rede ja nicht mal gern. Aber ich frage lieber, als irgendwas falsch zu machen. Das wäre natürlich schlimmer. Wenn ich einen Buchstaben falsch aufklebe, kann ich ihn ab und zu auch wieder ganz abziehen und erneut aufkleben. Wenn der Buchstabe aber schon festklebt, geht er zwar ab, ist aber nachher nicht mehr zu gebrauchen. Ich lass mir also lieber etwas Zeit dabei. Herr Kuckensiel meint, dass ich es gar nicht schlecht mache und dass es mit der Zeit dann sicher schneller gehen werde. Ich habe ihm einfach mal zugestimmt, wobei ich natürlich für nichts garantieren kann.
    Anfangs waren wir zu zweit im Laden, der Sohn von Herrn Kuckensiel kam erst am Nachmittag. Wenn man nur zu zweit ist und es angebracht ist zu reden, dann muss ich auch reden. Aber ich weiß nie, was, wie viel und ob ich überhaupt reden soll. Aber es ging heute besser als erwartet, und es wird mit der Zeit sicher auch leichter, wenn man sich besser kennt.
    Anja
    Alles klappt, bis es zusammenklappt. Nachdem ich in heftiger Aufregung meine Examensarbeit persönlich in Siegburg abgegeben habe, baue ich auf der Rückfahrt einen Autounfall. Vor lauter Freude nach Hause zu kommen und mit Karl zu feiern, dass jetzt zumindest die Schreiberei für den Abschluss ein Ende hat, habe ich die Autobahnauffahrt zu schnell genommen und den Wagen vor die Leitplanke gesetzt. Ein verdreckter, nasser Untergrund hatte das Seinige zu meiner Rutschpartie beigetragen. Alle um mich herum sind hilfsbereit. Ein Lkw-Fahrer hält den Verkehr auf und erledigt die notwendigen Telefongespräche. Ich bin völlig fertig und froh, dass es die Polizei und den ADAC gibt.
    Karl und Meike sind erleichtert, dass mir nichts passiert ist, aber ich brauche wohl noch ein paar Tage, bis ich den Schrecken überwunden habe. Es entlastet mich immerhin, dass Meike zurzeit konsequent ihren Weg geht. Was sie alles macht: Todesanzeigen entwerfen, Trauerfeiern vorbereiten, Verstorbene abholen, Amtsbesuche erledigen. Jetzt fragt sie mich, ob sie zu Hause bleiben soll, wegen meines blöden Unfalls. »Quatsch, das ist nicht nötig.« Meike will nämlich zu einer Party, was in ihrem Leben nach wie vor Seltenheitswert hat. Ich tue, was ich in letzter Zeit am Wochenende meistens tue, wenn ich nicht arbeiten muss, schlafen.
    Meike
    Partys sind einfach nichts für mich. Ich war auf der Geburtstagsfeier von Marco. Ich habe ihm zwar gesagt, dass ich Feiern nicht mag, aber letztlich hat er mich überzeugt, dennoch zu kommen. Schließlich mag ich ihn, und außerdem waren noch zwei andere ehemalige Mitschüler eingeladen, die ich in Ordnung fand.
    Es war letzten Endes aber doch eher kacke, um es mal freundlich zu sagen. Ich habe versucht, möglichst vorurteilsfrei zur Party zu gehen. Aber es fing natürlich mit Alkohol an und Musik, die ich nicht mag. Irgendein Punk-Alternativ-Kack. Das soll Musik sein? Ich mag dieses Rumgekreische von angeblich männlichen Sängern überhaupt nicht, ich mag diese Tonlage nicht, ich höre lieber Musik, in denen die Stimmen der Sänger oder Sängerinnen möglichst dunkel sind. Ich höre lieber Metal, möglichst dunkel und nicht so hektisch und chaotisch. Ich trinke keinen Alkohol, ich trinke Wasser und es ist bescheuert, zwischen Angetrunkenen und nach und nach sinnlos Betrunkenen herumzusitzen, während man selbst stocknüchtern ist. Alberne betrunkene Jungs, die Scheiße labern, und dumme Tussis mit zu kurzen Röcken. Ich hätte gar nicht gedacht, dass Marco so peinliche Freunde hat. Diese Punktussis finde ich übel, und die eine bemerkt nicht einmal, dass sie für den kurzen Rock und das T-Shirt zu fett ist. Dazu streckt sie ihren Hintern »versehentlich, weil sie stolpert« jedem Typen ins Gesicht. Marco hat

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