Schnupperküsse: Roman (German Edition)
oder weißen?«
»Ich nehme das, was du trinkst.«
Ich öffne den roten und schaue Guy an, als ich den Wein entkorke. Mir ist nach etwas Starkem, Vollmundigem.
Wir setzen uns hin und essen. Das Essen verläuft so weit harmonisch. Adam ist höflich, und als wir uns zum Möhrenkuchen und Kaffee – entkoffeinierter, weil Guy so früh fürs Melken aufstehen muss – ins Wohnzimmer zurückziehen, verschwindet er nach oben. Georgia und Sophie essen noch Schokolade und reichen sie weiter, bevor ich sie ins Bett schicke. Als die beiden nach oben gehen, sagen wir eine ganze Zeit lang nichts. Guy schaut mich vom Schaukelstuhl aus an, während ich mit angezogenen Beinen auf dem Korbsofa sitze.
»Ich bin überrascht, dass du noch kein Feuer gemacht hast«, beginnt er.
»Ist dir kalt?«, frage ich schnell.
»Nein, mir ist warm genug.«
»Ich traue mich nicht so recht wegen des Strohdachs«, gebe ich zu.
»Mach dir darum keine Sorgen – das Stroh ist so fest zusammengepresst, das fängt nicht so schnell Feuer.«
Wir plaudern weiter über meine Pläne für das Gemüsebeet, führen also kein tiefschürfendes Gespräch, aber das scheint egal zu sein.
Eine halbe Stunde, nachdem die Mädchen zu Bett gegangen sind, erschallt von oben Adams Musik.
»Adam, dreh das leiser!«, rufe ich.
»Mummy.« Sophie erscheint auf dem Treppenabsatz, eingehüllt in ihre Bettdecke wie die kleine Raupe Nimmersatt. »Adam hat mich aufgeweckt.«
Ich rufe noch einmal.
»Das bringt nichts«, erklärt mir Guy mit einem Lächeln auf den Lippen. »Er hört dich nicht.«
Ich laufe nach oben und stoße die Tür auf. Er schaut hoch, sein Gesicht rot und verärgert.
»Was ist dein Problem, Adam?« Ich weiß nicht, warum ich überhaupt frage, denn offensichtlich kann er es nicht ertragen, mich mit Guy zusammen zu sehen, und ich habe das Gefühl, als müsste ich mich rechtfertigen, wie damals als Teenager bei meinen Eltern. »Wir haben nichts getan. Nur miteinander geredet.« Als er mir nicht antwortet, fahre ich fort und sage noch einmal: »Mach die Musik leiser!«
»Warum sollte ich? Du hast doch gesagt, wenn wir aufs Land ziehen, kann ich so laut Musik hören, wie ich will.«
»Ja, aber trotzdem im Rahmen. Und den sprengst du hier gerade. Du hast deine Schwester geweckt, und ich bekomme Kopfschmerzen durch dich.«
»Ach ja, Mum?«, sagt er eisig. »Oder ist es nicht so, dass ich dich gerade vor deinem Freund blamiere?« Der Ton in seiner Stimme ist herausfordernd und kalt. So wie bei David. Er ist nun mal der Sohn seines Vaters.
»A«, erkläre ich, »ist er nicht mein Freund.« Auch wenn ich mir das gelegentlich wünsche. Doch da ich hier kein Öl ins Feuer gießen möchte, ist er es nicht, wenngleich ich am liebsten schreien würde: »Willst du nicht, dass ich glücklich bin?«
»Ja, ja«, seufzt Adam. »Und B?«
»B?«
»Du hast gerade mit A angefangen und deine Ausrede vorgebracht. Und was ist B?« Seine Lippen verziehen sich höhnisch. »B, für könnte besser laufen?«
»Dreh die Musik leiser!«, sage ich noch einmal. »Sonst kann ich meine Gedanken nicht hören.«
Als Adam keine Anstalten macht, sich zu bewegen, gehe ich zur Dockingstation und drehe die Lautstärke herunter.
»Es ist so albern, wie du dich aufführst, um Guy gegenüber perfekt zu erscheinen und ihn zu beeindrucken. Das ist einfach nur peinlich.« Adam springt auf und dreht die Lautstärke wieder hoch.
»Dazu sind Eltern nun mal da«, erwidere ich und versuche, die Stimmung aufzuhellen. »Das gehört zu ihren Aufgaben.«
»Weißt du, wie lächerlich du in diesen Klamotten vom Land aussiehst? In deiner Weste, den rosa Gummistiefeln und dem ätzenden Hut? So was hättest du in London nie im Leben getragen.«
»Na siehst du! Wenn ich Guy wirklich beeindrucken wollte, würde ich wohl mehr Wert auf mein Äußeres legen.« Ich muss zugeben, da bin ich nicht ganz ehrlich. Bin ich wirklich so leicht zu durchschauen wie die Klarsichtfolie, in die ich meine Kuchen einwickle?
Es bringt nichts. Ich dringe zu Adam nicht vor, er hat gerade einen Wutanfall. Meine Kehle schnürt sich sehnsüchtig zusammen, als ich mich daran erinnere, wie ich früher meinen liebenswerten und liebevollen kleinen Jungen zu Bett brachte und ihm eine Gute-Nacht-Geschichte vorlas. Es ist, als hätte er sich in eine außerirdische Lebensform verwandelt, mit einer Haltung, die jenseits meiner irdischen Erfahrungen liegt, und einer Sprache, die ich nicht kenne. Ich gebe auf. Es ist nicht möglich, ein
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