Schnupperküsse: Roman (German Edition)
innerhalb von zehn Minuten wieder Licht haben.
Dieser Abend war insgesamt sehr erleuchtend, denke ich später, als Guy nach Hause gegangen ist, und muss dabei immerzu grinsen. Auch wenn ich mir vielleicht einen diebischen Hund und ein psychotisches Pony aufgehalst habe, weiß ich eins mittlerweile genau – Guy mag mich, nein, mehr als das, und ich mag ihn, und ich bin für den nächsten Schritt bereit, wie immer der auch aussehen mag. Was Adam allerdings betrifft, mache ich mir Sorgen. Was hat er gesehen, beziehungsweise was denkt er, gesehen zu haben? Ich beschließe, mit ihm zu reden, sobald sich ein ruhiger Moment ergibt. Wenn er erst einmal den Schock verwunden hat, dass seine Mum wieder für eine neue Beziehung bereit ist, wird er auch, so hoffe ich, die neue Situation akzeptieren können.
15
Biskuitkuchen
Um ehrlich zu sein, das Gespräch mit Adam bereitet mir ziemliche Kopfzerbrechen, und ich habe Angst vor seiner Reaktion, denn ich kann mir vorstellen, wie sie ausfällt, weshalb ich auch ein paar Tage später noch nichts gesagt habe. Aber keine Sorge, Guy und ich gehen es langsam an. Das fühlt sich richtig an. So richtig.
Nachdem ich die Kinder ein paar Tage später morgens zur Schule gebracht habe, stehe ich in der Küche und backe. Ich schaue zugegebenermaßen ziemlich häufig aus dem Fenster, um vielleicht doch einen Blick auf Guy zu erhaschen, und tatsächlich, da ist er und stiefelt auf mich zu. Ich öffne das Fenster und sage hallo. Er sieht umwerfend aus – das Haar zerzaust, nachdem er seine Mütze abgenommen hat, das Gesicht frisch und wach –, und ich frage mich, wie er das schafft, da er doch immer so früh aufstehen muss. Du hast ganz schön freche Gedanken, Jennie Copeland, sage ich zu mir und bemerke, dass ich die Biskuitkuchen nicht mit Puderzucker, sondern mit Mehl bestäube, was mich lehrt, meine Gedanken zukünftig besser bei der Arbeit zu haben.
»Hallo. Hier riecht’s aber gut«, fügt er hinzu.
»Ich backe gerade.«
»Das habe ich mir gedacht. Du hast Mehl auf der Nase.« Er streckt seine Hand aus, als wollte er es wegwischen, aber ich bin zu weit weg.
»Hast du Zeit für einen Kaffee?«, frage ich.
»Alle Zeit der Welt«, erwidert er, und auf seinem Gesicht erscheint wieder dieses bedächtige, atemberaubende Lächeln. Kurz darauf hat er es sich in der Küche bequem gemacht und sitzt zurückgelehnt in einem Stuhl, die langen Beine ausgestreckt.
»Jennie, ich wollte dich die ganze Zeit schon etwas fragen«, sagt er nach einer Weile. »Wegen Adam.«
»Was hat er angestellt?«
»Nichts – er macht seine Arbeit gut. Darum geht es nicht. Ich habe ihn vor kurzem abends auf dem Feld gesehen.«
»Ich denke, er war mit Lucky spazieren. Die Freude über seinen Hund ist immer noch ungebrochen.«
»Der Hund war nicht bei ihm.«
Ich spüre, wie sich meine Augenbrauen zusammenziehen. »Hast du ihn gefragt, was er da macht?«
»Ja, aber zunächst meinte er, er würde dort oben Pilze sammeln, und dann erklärte er mir, er würde Mäuse wieder aussetzen, was mir völlig an den Haaren herbeigezogen erschien. Ganz ehrlich, wer fängt zuerst Mäuse und lässt sie dann wieder frei?«
Ich räuspere mich.
»Äh, ich zum Beispiel.«
»Jennie?«
»Ich habe ein paar Lebendfallen in der Scheune aufgestellt – weißt du, es darf ums Haus herum kein Ungeziefer geben. Die Hühner haben, soweit ich weiß, noch keine gefangen, wir hingegen schon. Und da ich sie nicht umbringen wollte, dachte ich …«
»Dachtest du, du könntest sie wieder freilassen?« Guy lacht. »Warum hast du ihnen keinen Schlag auf den Kopf versetzt?«
»Weil mir das so grausam erscheint. Sie sind so winzig und sehen so wehrlos aus. Das käme einem Mord gleich.«
Inzwischen hält sich Guy den Bauch vor Lachen, und Tränen laufen ihm über die Wangen.
»Ich hab’s ja schon mal gesagt – du bist völlig verrückt, Jennie!«
»Ich habe irgendwo gelesen, dass sie, wenn man sie mindestens zwei oder drei Meilen entfernt wieder aussetzt, nicht mehr wiederkommen«, fahre ich fort und bin mir nicht sicher, ob ich beleidigt sein soll oder lachen soll. Mäuse wieder aussetzen? Das ist lächerlich. Und so fange ich wie Guy an zu lachen.
»Wo hast du sie wieder ausgesetzt?«
»Neben dem Weg, der nach Talyton führt.« Meine Schultern beben, und das Gesicht tut mir langsam weh. »In der Hecke. Ich habe ihnen etwas zu fressen da gelassen, in der Hoffnung, dass sie ein neues Zuhause finden werden.« Ich erzähle es Guy zwar
Weitere Kostenlose Bücher