Schnupperküsse: Roman (German Edition)
Tee.
»Ich kann nicht lange bleiben«, erkläre ich. »Die Kinder.«
Guy nickt, während er den Wasserkocher mit Wasser befüllt und einsteckt. Er hat keinen AGA .
Lucky sitzt zu meinen Füßen und lässt Guy nicht aus den Augen. Die Situation ist eigenartig.
»Ich weiß zwar nicht, wie die Wetteraussichten für die nächsten paar Wochen sind«, sagt Guy, »aber deine Äpfel können bald geerntet werden, wenn ich sie immer noch von dir haben kann.«
»Natürlich kannst du sie haben«, versichere ich ihm und halte mich zurück, hinzuzufügen, dass er noch viel mehr als meine Äpfel haben kann … »Bist du dir sicher, dass du sie nicht zu spät erntest? Das Erntedankfest in der Schule ist nämlich schon lange vorbei.«
»Mach dir keine Sorgen. Die alten Sorten für Apfelwein kann man bis November an den Bäumen hängen lassen.« Guy schiebt einen Becher Tee über die Küchentheke an der Post vorbei.
Ich nehme einen Schluck. Der Tee ist, wie nicht anders zu erwarten, noch zu heiß.
»Möchtest du mehr Milch darin?«
»Nein, es passt schon.« Gar nichts passt, denke ich. Und genau deshalb bin ich hier, aber dumm wie ich bin, spreche ich vieles nicht an.
»Wie geht’s Adam?« Guy lehnt sich gegen die Kühl-Gefrierkombination. »Er schien mir ein bisschen bekümmert.«
»Ich weiß nicht, was ich mit ihm machen soll. Er ist einfach aus der Klasse gegangen, als er Mathe hatte … bei Mr. Hughes.«
»Der unterrichtete schon mich vor mehr als zwanzig Jahren«, sagt Guy. »Ich kann mich erinnern, dass er ziemlich ungeduldig war und alles nur einmal erklärte. Hatte man den Stoff nicht kapiert, Pech!«
»Mathe war immer Adams Lieblingsfach.« Ich schlage den Kragen meiner Fleecejacke hoch bis unters Kinn und halte ihn fest.
»Meins nicht«, erklärt Guy lächelnd.
»Meins auch nicht«, erwidere ich. »Guy, es tut mir leid.«
»Was tut dir leid?«
»Das, was heute Nachmittag passiert ist … Das war peinlich.«
»Es ist ein bisschen« –, er hält inne und sucht nach den richtigen Worten, – »frustrierend.«
»Adam und die Mädchen werden nächstes Wochenende bei ihrem Vater sein. Vielleicht könnten wir … uns dann richtig sehen.«
»Das hört sich gut an.« Guy grinst, während ich aufstehe. »Wie wär’s mit einem Gutenachtkuss?«
»Besser nicht«, sage ich leise. »Adam wartet auf mich.« Doch das ist nicht der einzige Grund, denn ich bin mir nicht sicher, dass ich, wenn ich erst einmal damit anfange, Guy zu küssen, auch wieder aufhören kann.
Ich merke, wie ich immerzu an ihn denke, so wie damals bei David, als wir uns kennenlernten. Ich habe immer wieder diese gleichen herrlichen Träume, einen davon träume ich besonders häufig. Darin nimmt er mich schwungvoll in die Arme, hebt mich hoch und trägt mich nach oben zum Schlafzimmer, wo der Traum dann endet. Vor der Schlafzimmertür, in seinen Armen. Alles, was darüber hinausgeht, kann ich mir zurzeit nicht vorstellen. Ich traue es mich nicht. Ich bin so – aus der Übung … Außerdem ist mein Körper nicht mehr das, was er einmal war … und wenn ich ganz ehrlich bin, macht mir der Gedanke an diesen Schritt Angst. Weshalb ich es in den nächsten Tagen genieße, dass wir es langsam angehen, unsere verstohlenen Küsse und Guys kleine Liebesgeschenke: ein Korb mit Pilzen vor der Haustür und zwei große Knoblauchknollen, deren Zehen ich in das Gemüsebeet einpflanzen werde. Mag sein, dass sich das nicht nach viel anhört, aber mir bedeutet es alles.
16
Regenbogenkuchen
Die Eieruhr klingelt für die zweite Fuhre an Lebkuchenfiguren, die im Ofen stecken. Heute Abend habe ich ganze Heerscharen gebacken, um sie morgen zusammen mit ein paar Sirupkuchen und anderen Köstlichkeiten zu verkaufen. Ich greife nach dem Ofenhandschuh und bücke mich, um das Blech herauszuziehen, das sich in der Backschiene verfängt.
»Vorsichtig!«, sagt Guy zu mir, während ich an dem Blech zerre, das plötzlich herausgeschossen kommt. Reflexartig greife ich mit meiner anderen Hand, der ohne Handschuh, danach.
»Aua!«, stottere ich und lasse die Lebkuchenmänner auf den Boden fallen, deren Köpfe, Beine und Arme dabei abbrechen. »Oh, nein …« Während ich mich wieder aufrichte und mir den Schauplatz der Verwüstung betrachte, fasst Guy nach meinem Arm, führt mich zur Spüle, dreht das kalte Wasser auf und drückt meine Hand unter den Hahn. Er steht neben mir, leicht in meine Richtung gebeugt, und ich spüre seinen warmen Atem auf meinem Kopf.
»Wie dumm von
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