Schnupperküsse: Roman (German Edition)
mehr so sein, wie es einmal war.« Er dreht sich auf dem Absatz um und stürmt in genau die Richtung, aus der er gekommen war, Lucky ihm auf den Fersen.
»Adam, bleib hier!«, rufe ich ihm nach. »Komm nach Hause! Sofort!«
Er zögert und sieht verächtlich über seine Schulter. »Das hier ist nicht mein Zuhause! Und wird es auch nie sein!«
»Adam, bitte!«, flehe ich ihn an, doch er will nicht hören.
»Lass mich in Ruhe!«
Ich schaue ihm nach, wie er sich mit großen Schritten davonmacht, und ich verspüre einen Stich in meinem Herz. Er ist völlig durcheinander und außer Kontrolle. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll.
»Ich rede mit ihm«, versichert mir David, als ich ihn das dritte Mal anrufe und sage, dass Adam wieder da sei, aber schnurstracks mit Lucky hoch in sein Zimmer gegangen wäre. In unserem zweiten Gespräch hatte ich David erzählt, Adam gefunden und wieder verloren zu haben. Inzwischen sitzt Adam in der Küche und isst zu Abend. »Soll ich jetzt mit ihm sprechen?«, fragt David
»Ich denke, wir warten besser, bis er nicht mehr ganz so bockig ist«, schlage ich vor. »Lass ihn zuerst essen.«
Ich höre zufällig, wie Adam später mit seinem Vater telefoniert. Dabei klingt er ruhig und vernünftig, und ich bin eifersüchtig. Für Adam ist David ein Gutmensch, der perfekte Teil seiner Eltern, die Gelegenheit, um von Devon wegzukommen. Ich wünschte, er würde mit mir so sprechen.
»Warum musstest du das unbedingt Dad weitererzählen?«, fragt mich Adam, nachdem er das Gespräch beendet hat. »Du hättest ihn damit nicht behelligen müssen!«
»Wir haben uns Sorgen um dich gemacht …«
Adam beginnt zu fluchen. »Mein Gott, Mum, ich bin vierzehn! Du musst dir keine Sorgen mehr um mich machen!«
»Na gut,« sage ich, aber er ist nun mal mein Sohn, weshalb ich mir immer Sorgen um ihn machen werde.
Als ich am nächsten Morgen um fünf höre, wie Adam auf dem Treppenabsatz stolpert und leise flucht, verkneife ich mir, ihn deswegen zu ermahnen – die Mädchen sind sowieso noch nicht wach. Dem Fluchen folgt unten auf der Treppe ein Poltern, woraufhin er noch mehr flucht. Dann wird die Kühlschranktür geöffnet und wieder geschlossen und anschließend die Haustür zugeschlagen.
Ich kann kaum glauben, dass er es immer noch schafft, aufzustehen, um die Kühe zu melken. Ich unterstütze ihn darin, denn ich denke, es ist das Einzige, was ihn davor bewahrt, völlig in seinem Leid zu ertrinken.
Lucky liegt unten an meinen Füßen und winselt. Er muss sich in mein Zimmer hineingeschlichen haben, als Adam aufgestanden ist.
»Pssst«, murmle ich und ziehe mir das Federbett über die Ohren, um den ersten Schrei des Hahns zu dämpfen, der damit die Morgendämmerung verkündet. Hätten wir nicht durch ihn eines Tages Küken, würde ich ihm den Hals umdrehen. Obwohl ich wohl eher Guy darum bitten müsste, denn ich selbst wäre nicht dazu in der Lage. Allerdings sehen wir uns nicht so häufig wie früher, da die Kühe nicht mehr draußen aufs Feld gehen, sondern im Stall bleiben, und er deshalb mit ihnen nicht die Auffahrt herauf- und herunterkommt. Ich kann verstehen, wie er sich fühlt. Wir beide hängen in der Luft. Unsere Zukunft ist ungewiss, und er hat Recht mit dem, was er sagt – ich kann mich so gut wie auf nichts anderes konzentrieren als auf die Kinder und die drohende Tatsache, sie verlieren zu können …
Und jetzt kann ich nicht mehr einschlafen, denn in meinem Kopf schwirren Rezepte und Zeitpläne herum, um den Bestellungen nachzukommen und den nächsten Bauernmarkt vorzubereiten.
Ich strecke mich, gähne und schließe die Augen und muss wohl doch noch einmal eingeschlafen sein, denn plötzlich stürmt Georgia in mein Zimmer, läuft hinüber zum Fenster und zieht die Vorhänge auf. Ein breiter Sonnenstrahl trifft meine Augen.
»Mum, Mum!«, ruft sie und zieht aufgeregt an meinem Federbett. »Mit Bracken stimmt irgendwas nicht. Schnell, steh auf! Du musst runterkommen!«
Ich stehe auf – es ist frisch – und ziehe mir schnell einen schlabberigen Pullover über meinen Schlafanzug, fahre mit den Fingern durch mein Haar, gehe nach unten, ziehe meine Gummistiefel an und streife mir meinen Hundespaziermantel über, um hinüber zu ihr zur Koppel zu gehen.
In den Bäumen und Hecken draußen sind Spinnenweben, die wie Perlenketten glitzern, und überall sitzen Spinnen, doch meine Angst vor ihnen wird durch meine Angst um das Pony ersetzt. Bracken steht neben dem Tor, und ich weiß
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