Schnupperküsse: Roman (German Edition)
sofort, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Ihr Kopf ist nicht nach unten gebeugt, um zu fressen. Sie ist schweißnass und hat ihre Vorderläufe nach vorne ausgestreckt, als würde sie beten.
Mir ist übel. Auch wenn ich mir nach dem Vorfall mit Georgia oft gewünscht habe, sie wäre tot, hat sie das hier auf keinen Fall verdient.
»Ich gehe los und frage Guy, was sie hat«, sage ich und bin glücklich, einen Grund zu haben, wenigstens mit ihm reden zu können. »Er versteht ein bisschen was von Pferden.«
»Mum, vergiss Guy, wir müssen den Tierarzt anrufen.« Georgias Gesichtsausdruck ist eine Mischung aus Kummer und Verzweiflung. »Ich glaube, das hier ist ein Notfall.«
»Ja, mein Schatz, du hast Recht.« Ich gehe wieder hinein und rufe Otter House Vets an, die Tierarztpraxis in der Stadt, die mir jedoch erklären, keine Pferde zu behandeln. Stattdessen geben sie mir die Nummer von Talyton Manor. Eine Frau mit strengem Ton und guter Aussprache meldet sich.
»Wo halten Sie das Pony?«, fragt sie.
»Hier bei uns zu Hause, auf Jennie’s Folly«, antworte ich. Ich habe mich inzwischen an den neuen Namen unseres Hauses gewöhnt.
»Ich habe den Namen schon gehört, aber für mich wird es immer Uphill House bleiben«, sagt sie. »Was hat das Pony?«
»Ich weiß es nicht. Deshalb rufe ich ja an. Ein Tierarzt muss es sich anschauen.« Ich gebe Georgia den Hörer, da sie die Lage anscheinend besser beurteilen kann als ich.
»Sie hat Schmerzen«, erklärt sie. »Ich habe in meinem ›Handbuch für Reiter‹ nachgeschaut, und ich glaube sie hat Hufrehe.« Georgia gibt mir das Telefon wieder zurück. »Der Tierarzt kommt so schnell er kann.«
»Georgia, was ist Hufrehe?«, frage ich sie besorgt.
»Das ist eine Entzündung der Hufe«, erwidert sie, »und eine sehr, sehr ernste Krankheit.«
»Glaubst du, wir sollten sie in den Stall bringen?« Ich habe das Bedürfnis, etwas tun zu müssen.
»Wir sollten sie auf keinen Fall bewegen.« Georgia holt Brackens Halfter und legt es ihr problemlos an. Ich mache mir eine Tasse Tee, und als Sophie von oben zu uns herunterkommt, für die Mädchen heiße Schokolade, doch Georgia möchte nichts. Ihr Gesicht ist blass, und sie sieht besorgt aus. Sie findet, Bracken braucht eine Decke, weil ihre Ohren kalt wären, und holt ihre eigene von oben. Ich sage nichts. Warum beschleicht mich das fürchterliche Gefühl, ich könnte an diesem Dilemma schuld sein?
Eine halbe Stunde kann eine verdammt lange Zeit sein, wenn man einem Tier dabei zuschauen muss, wie es leidet. Das Pony stöhnt und verdreht die Augen, sobald es sein Gewicht verlagert. Eine Zeit lang steht es zitternd da, und der Schweiß tropft ihm vom Bauch. Arme Bracken! Am liebsten würde ich weinen, aber ich versuche allein schon wegen der Mädchen stark zu sein.
»Hat sie Bauchweh?«, fragt Sophie.
»Ich weiß es nicht genau«, erwidert Georgia und runzelt die Stirn. »Es könnte eine Kolik sein …«
»Mich fragst du besser nicht«, sage ich sanft. »Ich habe keine Ahnung.«
»Ist das der Tierarzt?«, fragt Georgia plötzlich. »Ich höre ein Auto.«
»Ich gehe nach vorne und mache das Tor zum Hof auf«, sage ich, doch Sophie ist schneller als ich.
Der Tierarzt ist ein sehr netter, gut aussehender Mann Ende dreißig, charmant, selbstsicher und mit einem großen Herz für Ponys. Ich habe das Gefühl, schlechte Nachrichten besser ertragen zu können, wenn jemand wie er sie überbringt.
»Hallo, ich bin Alex«, sagt er und legt sich mit einer Hand ein Stethoskop um den Hals, während er in der anderen seine schwarze Arzttasche trägt. »Wem gehört das Pony?«
»Mir«, sagt Georgia.
»Und was kannst du mir« – er wirft aus der Entfernung schnell einen Blick auf Bracken – »zu ihr sagen?« Während er Bracken untersucht und ihre Temperatur misst, hört er Georgia zu.
Sophie schaut mich an, als er das Thermometer unter den Schweif führt.
»Psst!«, forme ich unhörbar mit den Lippen. Kein Wort!
»Ist es das, was ich glaube?«, fragt ihn Georgia.
»Ich befürchte, ja«, antwortet Alex ruhig, und ich erkenne am Ton seiner Stimme, dass es keine guten Nachrichten sind. »Deinem Pony geht es schlecht. Ihre Hufe haben sich entzündet, Georgia. Kannst du das eine Minute für mich halten, während ich Medikamente aus dem Wagen hole?« Er sieht mich an und gibt mir mit seinem Blick zu verstehen, ihn zu begleiten, damit er mit mir außer Hörweite der Mädchen sprechen kann. Ich habe das Gefühl, als würde ich mich
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