Schnupperküsse: Roman (German Edition)
passen.«
Ich kichere in mich hinein. Wie man sieht, hat sich meine Art, schon mal die Wahrheit zu verschleiern, nicht auf meine Kinder übertragen. Sie sind immer vollkommen ehrlich und geradeheraus.
»Mum«, sagt Georgia mit ernstem Gesicht, »du weißt doch bestimmt, dass Dad möchte, dass wir von hier fortziehen und bei ihm wohnen?«
Mir wird schwer ums Herz. Die Mädchen wissen also Bescheid – David hat es ihnen entgegen meinem Wunsch über Adams Webcam gesagt und nicht persönlich, was ich als netter empfunden hätte. Ich hatte gehofft, das Thema würde sie nicht zu sehr belasten.
»Ja?«
»Ich werde nicht zurück nach London gehen.«
»Georgia, mein Schatz.« Ich knie mich neben sie und schlinge meine Arme um ihre Taille.
»Ich bleibe hier, wegen Bracken. Das habe ich Daddy auch gesagt.«
»Und was meinte er?«, frage ich vorsichtig.
»Er sagte, ich könnte sie jedes zweite Wochenende sehen, wenn ich dich hier besuchen komme.« In ihren Augen schimmern Tränen, und sie beißt sich auf die Lippe, bis sie bekümmert weint, dass es mich in Stücke reißt. »Ich möchte nicht bei Alice wohnen! Ich möchte bei dir bleiben, Mummy!«
»Oh, Georgia …« Ich halte sie ganz fest, streichle ihr über den Rücken und fahre mit den Fingern durch ihr Haar, so wie damals, als sie noch ein Baby war. »Wir werden eine Lösung finden. Daddy und ich wollen beide, dass ihr glücklich seid.« Nur haben wir unterschiedliche Ansichten, wie uns das gelingt. Ich schließe meine Augen und unterdrücke ein Schluchzen.
»Gibt’s was zu essen, Mum?«, unterbricht uns Adam, als er in die Küche stürmt. Er nimmt sich einen der Schokoladenbrownies, die auf dem Kuchengitter zum Abkühlen stehen, und beißt hinein.
»Hände weg!«, ermahne ich ihn. Ich wollte sie zusammen mit Eiscreme und Schokoladensauce servieren. »Die sind für später!«
»Was ist denn mit meiner kleinen Schwester los?«, fragt Adam, geht zu ihr hin und kneift sie aus Spaß in die Seite, was zwar angesichts ihres Gemütszustands völlig unangebracht ist, sie aber dennoch von ihren Gedanken ablenkt.
»Lass sie bitte in Ruhe!«, sage ich. »Sie kämpft gerade mit ihren Gefühlen.«
»Na, das ist ja bei euch Mädels nichts Neues«, lautet daraufhin Adams bissige Bemerkung.
»Manchmal ist es besser, alles herauszulassen und seine Sorgen mit jemandem zu teilen, als sie in sich hineinzufressen«, erwidere ich und schaue ihn an. So wie es bei dir leider ist, denke ich, während er weggeht. Ich glaube nicht, dass ich zu ihm durchdringe. Ich beiße mir auf die Lippen. Und ich bin mir auch nicht sicher, ob ich das je tun werde.
17
Kirschkuchen mit Walnüssen
Ich bin so mit Jennie’s Cakes und dem Anwalt beschäftigt gewesen, einem eher eigenartigen älteren Herrn namens Mr. Tabarells, dessen Büro sich in Talyton befindet, dass ich bisher nichts weiter dagegen unternommen habe, wie Adam sich immer mehr von der Familie entfernt. Er hasst seine neue Schule. Ich schlug ihm zwar vor, seine Klassenkameraden doch zum Abendessen zu uns nach Hause einzuladen, doch er verachtet seine Mitschüler, weil sie der Jungbauernschaft von Talyton angehören und für sie der Gummistiefelweitwurf der größte Spaß ist.
Heute ist Freitag, der letzte Schultag vor den Herbstferien, und seine Religionslehrerin hat mich gerade angerufen, um zu fragen, warum Adam nicht in der Schule sei, was mich genauso verwundert hat wie sie, da ich ihn heute Morgen nicht weit vom Schultor abgesetzt habe.
»Wir machen uns um seine Anwesenheit Sorgen, Mrs. Copeland. Seit Sie seine Klassenlehrerin zuletzt gesehen haben, hat er noch zwei Mal unentschuldigt gefehlt, und bei der Schülerhilfe ist er mehr mit unterschiedlichen körperlichen Beschwerden erschienen, die eindeutig im Zusammenhang mit den Unterrichtsstunden von Mr. Hughes stehen.«
Auch ich bin besorgt und zutiefst enttäuscht und mache mir Gedanken um seine Sicherheit, denn wenn er nicht in der Schule ist, wo ist er dann? »Wo ist er?«, frage ich.
»Wir haben gehofft, Sie könnten uns das sagen«, erwidert die Religionslehrerin.
»Es tut mir leid, ich habe keine Ahnung, außer …« Er könnte bei den Kühen sein, doch ich bin mir sicher, dass Guy mir Bescheid gegeben hätte, wenn er nicht in der Schule wäre. Dann fällt mir ein, er könnte sich auch davongemacht haben, um nach London zu David oder Josh zu fahren. Oder – und an diese Möglichkeit mag ich gar nicht denken – er hat sich auf einen langen Spaziergang mit ein paar
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