Schnupperküsse: Roman (German Edition)
durch eine Schlammlawine kämpfen müssen.
»Wird sie es schaffen?«, frage ich ihn, als wir ums Haus herumgehen.
Er wendet sich mir zu. »Ich will ehrlich mit Ihnen sein. Ich sehe ihre Chancen fünfzig zu fünfzig.«
»Oh Gott, nein …«
Ich habe einen Kloß im Hals, als er fortfährt. »Es gibt drei Möglichkeiten. Erstens: Ich weise sie sofort in die nächstgelegene Pferdeklinik ein, wo sie bestens versorgt werden kann.« Er hält inne, und ich lasse die Nachricht sacken.
»Würde das sehr teuer werden?«, frage ich und fühle mich entsetzlich, weil mein erster Gedanke dem Geld gilt und nicht Brackens Gesundheit.
»Ich nehme an, Sie haben für Tierarztbehandlungen keine Versicherung abgeschlossen?«
Ich nicke kläglich. Noch eine Sache, zu der ich nicht gekommen bin.
»Na, dann bleiben nur noch Möglichkeit zwei und drei«, fährt er fort. »Möglichkeit zwei bedeutet, sie in den Stall zu bringen, der allerdings dick mit Streu ausgelegt sein muss. Ich hole mein Röntgengerät und mache ein paar Bilder ihrer Füße. Es kommt bei dieser Krankheit manchmal vor, dass sich der Huf vom Rest des Fußes ablöst und der Knochen sich dadurch absenken kann. Im schlimmsten Fall dringt er durch die Sohle, wodurch die Chancen auf Heilung auf ein Minimum reduziert werden. Sollte es für dieses Pony aber einigermaßen gut aussehen, können wir ihr Schmerzmittel und andere Medikamente geben und den Huf durch einen Schmied bearbeiten lassen. Sie können sie hier pflegen. Wenn es allerdings schlecht aussieht, werden wir sie einschläfern müssen, um ihr weiteres Leid zu ersparen. Das wäre Möglichkeit drei.«
Georgia wäre am Boden zerstört, ist mein erster Gedanke. Ich verschränke meine Arme, damit meine Hände nicht weiter zittern. Sie liebt dieses Pony, und selbst wenn ich es mir leisten könnte, ihr ein anderes zu kaufen, was ich nicht kann, wäre es nie wieder dasselbe.
»Uns steht ein langer Weg bevor«, erklärt mir Alex, »und es ist nicht gesagt, dass sie wieder gesund wird, deshalb könnte ich verstehen, wenn Sie sich für Möglichkeit drei, also Sterbehilfe, entscheiden würden.«
»Sie meinen, sie erschießen?«
»Heute gibt man eine Spritze.«
»Ich weiß wirklich nicht, was ich tun soll«, gebe ich zu und frage ihn nach der Ursache von Brackens Krankheit, um Zeit zu gewinnen.
»Diese kleinen, dicken Ponys neigen zu Hufrehe, und wenn ich sie mir so betrachte, vermute ich, hat sie den ganzen Sommer über grasen können, was für sie schon grenzwertig war, doch die fetten Wiesen jetzt im Herbst haben ihr den Rest gegeben.«
Es ist also meine Schuld. Ich habe weder auf Guy noch auf Maria gehört. Ich dachte, es besser zu wissen.
»Ich spritze ihr ein Schmerzmittel. In der Zwischenzeit können Sie sich entscheiden«, sagt Alex. Obwohl er fürchterlich nett ist, habe ich das Gefühl, gerichtet zu werden.
»Ich möchte, dass Sie mit der Behandlung fortfahren und sie röntgen«, beschließe ich. »So wissen wir, was mit ihr los ist.«
»Ich gebe ihr dann jetzt erst mal ein paar Spritzen. In einer Stunde bin ich wieder zurück.«
Georgia schaut mich fragend an, als ich ans Tor zur Koppel zurückkehre.
»Alex ist los, ein paar Spritzen und das Röntgengerät zu holen. Wir sollen sie in den Stall bringen.« Mehr erzähle ich ihr nicht. Das kann warten.
Nach einer Stunde kehrt Alex mit einer riesigen Gerätschaft im Koffer seines Allradwagens zurück.
»Wie geht’s ihr, Georgia?«, fragt er und schaut über die Stalltür in den Stall hinein.
Sie reibt Brackens Hals. »Sie scheint sich besser zu fühlen, doch bewegt hat sie sich nicht.«
»Dann betrachten wir uns jetzt mal die Füße näher«, sagt Alex und baut gemeinsam mit Georgia das Röntgengerät auf, das mit einem Verlängerungskabel an den Strom im Haus angeschlossen wird. Als er die Bilder macht, schickt er Georgia aus dem Strahlungsbereich heraus. Anschließend lädt er die Aufnahmen vom Computer herunter.
Dann erklärt er mir und den Mädchen, was er sehen kann. Es sieht nicht gut aus, doch als wir in der Tür zu Brackens Stall stehen und Alex den Laptop aus dem Licht hält, wird mir klar, dass die Entscheidung, ein Tier in seinen sicheren Tod zu schicken, nicht ganz so einfach ist, wie sie mir zuerst erschien. Bracken ist inzwischen nicht mehr nur ein Pony. Sie ist ein Teil unserer Familie geworden.
Laut Alex weisen Brackens Knochen zwar erste Anzeichen von Rotation auf, doch gibt es immer noch eine Chance auf Heilung, und so entscheide
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