Schnupperküsse: Roman (German Edition)
– vielleicht um zu verhindern, dass Wasser eindringt –, eine Blechdose oben auf seinem senkrechten Auspuff.
»Ich denke schon, obwohl er schon seit Monaten nicht mehr gefahren worden ist«, erwidert Guy. Er klettert hoch auf den Sitz – dieser Traktor hier besitzt kein geschlossenes Führerhaus – und dreht den Schlüssel herum, der im Zündschloss steckt. Er schaut mich an. »Hier draußen passiert nicht viel. Abgesehen davon kann ich mir kaum vorstellen, dass jemand dieses Ding klauen würde.« Er dreht den Schlüssel noch einmal um. Die Maschine stottert, wodurch die Blechdose erst nach oben gegen die Decke schießt und dann wieder zurück auf den Boden fällt, wo sie klappernd weiterrollt.
Adam kann nicht aufhören zu lachen. So wie ich – zum Teil wegen der Blechdose und zum Teil wegen Adam, der sich vor Lachen biegt und dem deshalb Tränen in die Augen schießen.
»Die hätte ich wohl besser heruntergenommen«, meint Guy grinsend, »aber das vergesse ich immer.« Er dreht den Schlüssel noch einmal um, und die Maschine erwacht grummelnd zum Leben. Er fährt den Traktor zurück in den Hof und überrollt dabei krachend die Dose. »Den Traktor sollten Sie behalten, Jennie.«
»Und wieso? Was soll ich mit dem Ding anfangen?«
»Er kann Ihnen gute Dienste leisten, wenn Sie sich um Ihr Land kümmern.«
»Ich dachte, das kümmert sich von allein.«
»Nein, Sie können es nicht sich selbst überlassen – ansonsten werden Sie alle möglichen Unkräuter haben.« Er lächelt wieder. »Und das wird Ihr Nachbar gar nicht mögen.«
»Verstehe.« Beziehungsweise nicht. Denn einen Traktor fahren zu müssen, um Unkraut zu bekämpfen, ist dann doch eine kleine Überraschung für mich.
»Wenn Sie das Gras auf der Koppel unter den Apfelbäumen nicht von irgendwelchen Tieren abweiden lassen, müssen Sie es eggen und schneiden. Und was das Unkraut angeht, da müssen Sie auf jeden Fall das Jakobskraut ausgraben, denn ich mähe Heu und verkaufe, und die Käufer, die es an ihre Pferde verfüttern, nehmen es mir nicht ab, wenn Jakobskraut darin ist. Deshalb darf es nebenan von mir nicht wachsen.«
»Jakobskraut ist giftig«, unterbricht ihn Georgia.
»Woher weißt du das, junge Dame?«, fragt Guy.
»Ich bekomme ein Pony, und damit ich weiß, wie ich es richtig pflege, habe ich Bücher dazu gelesen.«
Ich spüre einen seltenen Anflug mütterlichen Stolzes.
»Glaubst du, deine Mutter weiß, wie man einen Traktor fährt?«, fragt er Georgia.
»Ich denke, sie könnte es lernen, wenn sie sich ein Buch darüber in der Bibliothek ausleiht«, antwortet Georgia optimistisch.
Guy dreht sich zu mir um, während er vom Traktor springt. »Ich befürchte, er wird Ihnen nicht schnell genug sein, Jennie.«
Wie schafft es dieser Mann nur, mich so zu durchschauen? Obwohl ich nicht rot werden will, tue ich es doch. Ich führe es auf den Apfelwein zurück und gehe an ihm vorbei, um nach dem Tisch zu schauen. Adam und Guy ziehen ihn aus der Scheune auf das Kopfsteinpflaster. Er ist staubig und zerkratzt. Abgesehen davon bin ich mir nicht ganz sicher, ob ich den Tisch haben möchte, doch Guy ist überzeugt, er wäre für die Küche genau das Richtige.
»Er muss nur ein bisschen abgeschliffen werden, dann ist er wieder so gut wie neu«, meint er und zeigt Adam anschließend, wie man den Traktor wieder rückwärts in die Scheune fährt, bevor er verkündet, dass er zurück zu seinem Hof muss.
»So früh?«, fragt ihn Mum. »Es ist erst halb zehn.«
»Ich muss früh raus. Die Kühe melken«, fügt er erklärend hinzu. »Leider melken sie sich nicht von allein.«
»Ist auch die Kuh dabei, zu der Sie so gemein waren …die Sie mit dem Stock geschlagen haben«, beginnt Georgia.
»Kylie?«, sagt Guy. »Ich habe sie nicht heftig geschlagen. Sie weiß, ich würde ihr nie wehtun.«
Seine Antwort scheint Georgia nicht zu überzeugen.
»Sie würde sich nicht melken lassen, wenn sie unglücklich wäre.«
»Nein, wahrscheinlich nicht«, meint Georgia und scheint Guy gegenüber etwas sanfter zu werden. »Haben alle Ihre Kühe Namen?«
»Ja. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass Kühe mit Namen mehr Milch geben, auch wenn man sich nicht ganz sicher ist, ob dies an den Namen selbst oder an der größeren Zuwendung liegt, die die Bauern Tieren mit Namen entgegenbringen.«
»Wie bekommen Sie die Milch aus der Kuh in die Tüte?«, fragt Georgia.
Ich wappne mich innerlich schon wieder gegen eine neue bissige Bemerkung zu ignoranten Städtern.
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