Schnupperküsse: Roman (German Edition)
absolut nichts gemein.
»Ich hoffe, ich darf im Herbst Ihre Äpfel ernten«, beginnt er. »Ich brauche sie für den Apfelwein im kommenden Jahr. Das da«, und er zeigt auf den Plastikbehälter, »stammt von den Äpfeln auf Ihrem Grundstück.«
»Ich wusste nicht, dass es Äpfel für Apfelwein sind«, sage ich und schaue in Richtung des Obstgartens.
»Sie haben einen Baum mit Bramleys – das ist ein Kochapfel.«
»Ich weiß, was Bramleys sind.«
»Außerdem haben Sie noch eine paar gute alte Apfelweinsorten – Hangy Down, Slack Ma Girdle und Tremlett’s Bitter.«
»Hangy Down?«, sagt Sophie, »Das hört sich aber unanständig an, oder, Mummy?«
Georgia kichert.
»Slack ma was?«, fragt Adam.
»Girdle«, erwidert Guy, ohne eine Miene zu verziehen. »Ich verstehe natürlich, wenn Sie Ihren eigenen Apfelwein machen wollen …«
»Nein. Ich kann mir nicht vorstellen, dafür Zeit zu haben«, sage ich. »Sie können sie gerne haben.«
»Ich werde Sie Ihnen in Naturalien bezahlen. Sie bekommen einen Anteil von dem Apfelwein, den ich mache. Den können Sie dann verkaufen oder selbst trinken.«
Apfelwein im Tausch gegen unsere eigenen Äpfel, das hört sich für mich nach einem guten Geschäft an.
Sophie durchbricht die Stille, die wieder eingetreten ist.
»Haben Sie Kinder, Guy?«, ertönt es von ihr. »Ich frage nur, weil ich gerne außer meiner Schwester noch jemanden zum Spielen hätte, denn sie spielt am liebsten Pony, und das finde ich echt langweilig.«
»Tut mir leid, habe ich nicht«, antwortet er.
»Also leben Sie alleine?«
»Sophie, warum …?«, versuche ich sie zu unterbrechen, aber als Guy ihr bestätigt, dass er allein lebt, kommt Sophie erst so richtig in Fahrt.
»Haben Sie eine Freundin?«, hakt sie weiter nach. »Oder einen Freund?« Sie fährt munter fort mit ihren Fragen und lässt Guy dabei keine Chance, zu antworten. »Wenn Sie schwul sind, können Sie nämlich auch einen Freund haben.«
»Da ich nicht in diese Richtung tendiere, habe ich auch keinen Freund«, erwidert er steif.
Ich zucke zusammen. Ich wünschte mir, die häuslichen Verhältnisse anderer Leute würden nicht eine solche Faszination auf Sophie und Georgia ausüben.
»Unser Daddy lebt jetzt mit Alice, seiner Freundin, zusammen. Daddy ist nicht schwul«, flötet Sophie weiter, und ich bemerke, wie Guy sich auf seinen Tee konzentriert. Währenddessen hoffe ich inständig, dass er nicht glaubt, ich hätte sie auf dieses Thema angesetzt.
Als wir mit Essen und Trinken fertig sind und ich leicht angeheitert bin, bietet Guy seine Hilfe an, den Tisch aus der Scheune zu räumen, damit ich ihn mir ansehen kann. Er besitzt eine enorme Energie und scheint nicht ruhig sitzen zu können oder zu wollen. So gehen wir hinaus auf den Hof und sehen in der Abenddämmerung, wie die Fledermäuse mit rasender Geschwindigkeit in die Ställe hinein- und wieder herausfliegen.
»Wären Sie gestern hier gewesen, hätten wir die Hälfte der Zeit gebraucht«, bemerkt Adam, und ich sehe seinen neidischen Blick auf Guys Muskeln, dessen Hände genauso kräftig sind, die Haut leicht gebräunt und rau, die Nägel sauber und kurz geschnitten.
Dad sperrt die Scheunentür weit auf, hinter der meine abgedeckten Sofas zum Vorschein kommen.
»Die müssen wir erst wieder herausräumen«, sagt er, doch das stellt für Guy kein Problem dar. Ich zerre eine der letzten Umzugskisten aus dem Weg.
»Lassen Sie mich das machen«, meint Guy und kommt auf mich zu.
»Ich kann das schon«, erwidere ich unmissverständlich.
»Ich habe Ihren Kuchen gegessen.« Er steht direkt vor mir, seine Hände auf der Kiste. »Das ist das Mindeste, was ich als Gegenleistung dafür tun kann.«
»Na gut«, sage ich besänftigt. »Danke.«
»Gern geschehen.« Sein Mund verzieht sich zu einem schiefen Lächeln, während er mir die Kiste aus der Hand nimmt. »Denke ich.«
»Wir müssen den alten Traktor herausfahren«, sagt Adam hoffnungsvoll.
»Funktioniert der noch?«, erkundigt sich Dad bei Guy.
»Warum bekommen Männer eigentlich beim Anblick von alten Maschinen immer weiche Knie?«, frage ich Mum, als sich Dad und Adam zusammen mit Guy den Traktor ansehen. Ich kann diesem unansehnlichen grauen Ding, das uns auf der Suche nach dem Eichentisch, der hinten in der Scheune steht, im Weg ist, nichts abgewinnen. Er ist nur ein Drittel so groß wie der Traktor, den Guy fuhr, als wir ihn auf der Straße trafen. Er sieht ein wenig verrostet aus und hat, aus welchem Grund auch immer
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