Schnupperküsse: Roman (German Edition)
schmieden, um mich so von der Scheidung abzulenken. Genauso wenig sollte ich mich weiter in meinem Leid suhlen, sondern mein Leben in die Hand nehmen und weiterleben. Sie fand auch, ich wäre nicht mehr ganz bei Trost zu denken, ich könnte mit dem Backen den Lebensunterhalt für mich und die Kinder bestreiten.
»Jennie, das wird nicht klappen.« Das waren ihre Worte. Und ich meinte daraufhin: »Wieso hat es dann mit den frisch gebackenen Kuchen von Mr. Kipling funktioniert?«, woraufhin sie in Tränen ausbrach. Ich begriff, dass es nicht um mich ging, sondern um sie. Sie hatte Angst, ihre Enkel nicht mehr regelmäßig zu sehen und nicht mitzuerleben, wie sie heranwachsen.
»Malcolm«, sagt sie, »wenn du das Auto packst, bring bitte die anderen Sachen mit herein.«
Dad geht nach draußen. Ich denke, er brennt darauf, zurück zu seinem Golfklub zu kommen.
Er kommt mit drei Tragetaschen zurück und stellt sie auf Guys Eichentisch, der wieder gut aussieht, nachdem er abgeschliffen und geölt wurde, dank Adam, der diese Arbeit gegen ein kleines Entgelt übernahm.
»Die sind für dich, Jennie«, sagt Mum, »unser Geschenk zum Einzug.«
Ich schaue in die Taschen hinein, in denen sich lauter Backformen, farbige Teigschaber und Löffel aus Silikon befinden.
»Oh, danke.« Ich bin überwältigt. »Das hättet ihr nicht …«
»Wir betrachten es als bescheidene Investition in deine Zukunft«, unterbricht mich Dad. »Wir würden dir auch noch gerne mehr unter die Arme greifen, doch das gestattest du uns ja leider nicht.«
Über dieses Thema hatten wir bereits mehrfach diskutiert, und ich hatte ihre Hilfe abgelehnt. Meine Eltern meinen es gut, aber ich bin kein Wohlfahrtsprojekt.
»Sollte ich Investitionsbedarf haben«, sage ich, »werde ich mich bei einer passenden TV -Show, wie zum Beispiel »Enter the den with the dragon« bewerben.«
»Die Formen sind alle für den AGA geeignet«, versichert mir Mum, »und können auch in die Spülmaschine.«
»Die ich noch nicht habe«, füge ich lächelnd hinzu.
»Du hast drei Spülmaschinen«, wirft Dad ein. »Sieh zu, dass die Kinder dir helfen.« Er sieht auf seine Armbanduhr. »Wir fahren besser los.«
»Wir sehen uns bald, Mum«, sage ich und meine Stimme bebt, da mir das Ausmaß meines Handelns plötzlich bewusst wird und mich wie ein Schlag trifft. Mir wird es fehlen, dass sie nicht mehr auf einen Kaffee und ein Stück Kuchen vorbeikommt. Genauso wie ihre Angebote, die Kinder zu hüten, und die sonntäglichen Mittagessen mit ihr, Dad und meiner Schwester.
»Pass auf dich auf, mein Kind.« Sie lächelt mich mit einer Träne im Auge an. »Und lass es dir gut gehen.«
Ich weiß, was sie damit meint. Blas kein Trübsal zu Hause, sondern geh unter Leute!
»Es wird für dich hier draußen ruhig werden. Du bist ja doch durch und durch ein Stadtkind, aber wenigstens wissen wir, dass es im Notfall jemanden gibt, an den du dich wenden kannst. Guy scheint ein netter Nachbar zu sein. Sehr kompetent.«
Ich lasse mich auf ein Gespräch über ihn nicht ein. Es müsste schon ein ganz dringender Notfall sein, dass ich ihn um Hilfe bitte.
»Und denk daran, Dad und ich sind nur einen Telefonanruf von dir entfernt. Solltest du plötzlich deine Entscheidung bereuen, hierhergezogen zu sein, kannst du jederzeit nach Hause kommen. Egal, was passiert, die Tür steht dir immer offen.«
»Danke, Mum«, sage ich bewegt, und es schnürt mir fast die Kehle zu.
»Wir kommen dich besuchen. Bald.«
Bevor sie abfahren, rufen sie noch die Kinder herbei, um sich von ihnen zu verabschieden. Ich stehe auf dem Rasen im Vorgarten und sehe durch einen Schleier von Tränen, wie die Kinder lachend und winkend hinter dem Wagen meiner Eltern herlaufen. Ich drehe mich um und schaue auf das Haus und denke, oh nein, was habe ich nur getan? Habe ich etwa mit dem Kauf dieses Hauses am Ende der Welt, einem launischen Herd und der vielfältigen Tierwelt gerade den zweitgrößten Fehler meines Lebens begangen?
Apropos Tierwelt, denke ich, als ich wieder hineingehe und sehe, wie ein Heer von Ameisen unaufhaltsam durch meine Küche in Richtung Speisekammer marschiert, so eng sollte der Kontakt zur Natur dann doch nicht sein, als ich mich entschloss, aufs Land zu ziehen.
»Mum«, verkündet mir Adam, nachdem meine Eltern vor einer halben Stunde abgereist sind, »mir ist langweilig.«
»Dir ist immer langweilig.«
»Ja, aber so schlimm wie jetzt war es noch nie.«
»Warum suchst du dir nicht eine
Weitere Kostenlose Bücher