Schnupperküsse: Roman (German Edition)
ab«, sagt er lächelnd. »Das ist nicht nötig, aber ich vermute, alte Gewohnheiten lassen sich nicht so schnell abstellen.«
Ich schlucke die Worte auf meinen Lippen – Was um alles in der Welt wollen Sie denn hier? – herunter.
»Nun …«, sagt er zögerlich und hält einen Plastikbehälter hoch. »Ein Friedensangebot.«
»Oh, danke«, erwidere ich überrascht. Es ist schon ziemlich lange her, dass ein Mann sich bis zu meiner Tür durchgeschlagen hat, was er im wahrsten Sinne des Wortes tun musste, denn Dad und Adam sind noch nicht dazu gekommen, sich um den Vorgarten zu kümmern. Er schiebt ein paar dornige Stiele beiseite, die von der Veranda herunterhängen. Die Rosen haben ihre besten Zeiten schon hinter sich und stehen nicht mehr in voller Blüte. So wie ich, denke ich kläglich. Ich nehme den Behälter und schaue auf das Etikett: Uphill Farm Apfelwein.
»Ist vom letzten Jahr«, erklärt mir Guy. »War ein guter Jahrgang.«
Er bleibt im Eingang stehen, und ich frage mich, ob er wirklich denkt, ich würde ihn hereinbitten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir uns nach der Invasion der Kühe noch irgendetwas zu sagen haben.
»Kommen Sie doch herein«, ruft meine Mutter von hinten. Sie ist inzwischen von der Küche hinaus in den Vorraum gegangen. Widerwillig öffne ich die Tür.
»Es ist Guy«, sage ich.
»Ich bin gekommen, um Wiedergutmachung zu leisten«, bemerkt er, beugt sich nach unten, löst die Schnürsenkel seiner Turnschuhe, zieht sie aus und lässt sie vor der Tür stehen, bevor er an mir vorbeigeht und Mum in die Küche folgt. Der Geruch von Seife und Zahnpasta steigt mir in die Nase. Zumindest ist er dieses Mal sauber. Und dazu auch noch frisch rasiert, wie eine kleine Schnittwunde am Hals verrät. Sein Haar, durch das sich tiefgoldene Strähnen ziehen, ist noch feucht und schaut dadurch dunkler aus. Er trägt Bluejeans, ein verwaschenes Poloshirt und eigenartige Socken.
»Mir war so, als hätte ich draußen vor der Tür Backduft gerochen.« Er schaut sich einen Moment lang um. »Sie haben es sich nett gemacht«, fährt er fort, und seine Stimme klingt, als läge leises Bedauern darin. »In der Küche hier waren wir am liebsten. Im Sommer war sie kühl und im Winter durch den AGA warm. Benutzen Sie ihn?«
»Selbstverständlich«, sagt Mum. »Der gehört doch zum Leben auf dem Land dazu!«
»Ich dachte, Sie würden ihn vielleicht ersetzen wollen. Ich nehme an, Sie werden einiges ändern«, hakt er mit herausforderndem Ton in der Stimme nach.
»Wenn Sie’s genau wissen wollen, möchte ich das Haus so lassen, wie es ist – und nur das eine oder andere passend erneuern«, stelle ich fest. Auch wenn er behauptet, nur gekommen zu sein, um sich wegen seiner Kühe zu entschuldigen, drängt sich mir der Gedanke auf, dass der wahre Grund darin liegt, herauszufinden, was ich aus seinem früheren Haus mache. Und um sich über meine Ansichten als Städterin lustig zu machen. Ist der Unterschied zwischen uns wirklich so groß? Wie voreingenommen ist er mir gegenüber?
»Ich nehme an, Sie werden auch Ihr eigenes Gemüse an pflanzen«, bemerkt er.
»Ja, werde ich. Ich werde das alte Gemüsebeet umgraben.«
»Das Beet muss gedüngt werden.«
»Das weiß ich. Ich habe schon früher Pflanzen angebaut. So dumm bin ich nicht«, sage ich.
»Das habe ich auch nicht behauptet«, verteidigt er sich und wird rot. Nun gut, vielleicht nicht gesagt, aber gemeint, denke ich.
»Hätten Sie gerne ein Stück Kuchen«, fragt Mum. »Jennie hat gerade gebacken.«
»Wir können Ihnen dazu ein Tasse Tee anbieten oder auch ein Glas von dem Apfelwein«, schlage ich vor.
»Zu einer Tasse Tee und einem Stück Kuchen sage ich nicht nein«, antwortet Guy und wirft einen hoffnungsvollen Blick auf den Sultaninenkuchen.
»Jennie hat vor, sich mit dem Verkauf von Kuchen ein Geschäft aufzubauen. Ihr Möhrenkuchen ist ein Traum, ich könnte für ihn sterben. So etwas Leckeres haben Sie noch nie gegessen«, sagt Mum. Penetrante Eltern – ich hätte nie gedacht, dass meine dazugehören! Ich kann nicht fassen, wie sie mich mit meinen vierzig Jahren noch in Verlegenheit bringen.
»Hat hier jemand ›Kuchen‹ gesagt?« Adam taucht in der Klöntür auf, hinter ihm seine beiden Schwestern.
»Ja«, bestätigt ihm Mum. »Stell doch bitte ein paar Teller auf den Tisch, Adam! Und du, Sophie, geh und wecke deinen Großvater!«
Die Küche scheint sich durch Guys Anwesenheit zu füllen. Er steht angelehnt vor einem der
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