Schnupperküsse: Roman (German Edition)
Schritten in der Diele höre.
»Guten Morgen.«
Ich schaue hoch, und eine fremde Frau steht vor mir. Und wenn ich fremd sage, meine ich das auch so, denn sie ist herausgeputzt wie ein Pfau, als wäre sie gerade auf dem Weg zu einer Hochzeit. Sie trägt ein grau-cremefarbenes Seidenkleid in Hahnentrittmuster, dazu ein passendes Jackett und passende, hochhackige Schuhe. Auf ihrem Kopf sitzt ein Faszinator aus silbrigen Federn, befestigt an einer Perlenschnur, von denen die drei längsten Federn nach oben abstehen. Ihr Haar, kurz geschnitten und kastanienbraun gefärbt, liegt an ihrem Kopf wie Beton.
»Ich glaube, Sie haben sich verirrt«, sage ich.
»Oh, nein, nein, ich weiß ganz genau, wo ich bin. »Willkommen« – sie öffnet ihre Arme – »in unserem hübschen Städtchen Talyton St. George.«
»Sie können nicht einfach hier hereinspazieren«, erkläre ich und frage mich, wer sie ist. Für eine Trickdiebin ist sie ein bisschen zu auffällig gekleidet, und in dieser Aufmachung ist sie bestimmt auch keine Vertreterin für Asphaltbeläge, um die Auffahrt damit zu belegen. »Ich wohne hier, und mein Zuhause steht nicht für Gott und die Welt offen.«
»Die Tür war auf. Ich wollte Sie nicht stören und bin deshalb von allein hereingekommen. Ich konnte durch das Fenster sehen, dass Sie beschäftigt waren. Oh, Sie machen gerade einen Teig …« Sie schielt auf die Rührschüssel. Ich greife danach und halte sie fest, woraufhin sie zuckersüß lächelt. »Verzeihung, ich habe mich noch nicht vorgestellt. Was müssen Sie, als frisch aus der großen Stadt Hinzugezogene, nur von einer völlig Fremden in Ihrem Haus denken? Ich bin Fifi, Fifi Green, und begrüße Sie herzlich in meiner Funktion als Mitglied des Meet and Greet Komitees von Talyton St. George.«
»Aha«, sage ich und stelle die Schüssel wieder zurück auf den Tisch. »Ich bin Jennie Copeland.« Erst als meine Hand schon ausgestreckt ist, bemerke ich, dass sie fettig und mehlig ist.
»Lassen Sie sich von mir nicht aufhalten«, bemerkt Fifi. »Der Teig wird Ihnen misslingen, wenn Sie die Butter zu warm werden lassen. Jennie, sind Sie Mrs. Copeland oder …«
»Ex-Mrs. Copeland«, sage ich, abgelenkt von meinem Teig. Ich hole eine Karaffe mit kaltem Wasser aus dem Kühlschrank und besprenkle damit meinen brotkrumenartigen Teig. Ich nehme mein Palettenmesser, um die Zutaten langsam miteinander zu verkneten und füge währenddessen noch ein bisschen Wasser hinzu.
»Ich hoffe, diese Fragen machen Ihnen nichts aus, aber ich habe Bericht zu erstatten.«
Ich merke, wie meine Stirn sich zu einem Runzeln zusammenzieht.
»Ist das hier etwa eine offizielle Befragung? Ich habe nur …«
»Keine Sorge.« Fifi lächelt. »Damit meinte ich nur, dass die Leute nachfragen werden. Wenn ich ihnen zur Antwort gebe, Sie hätten mich gebeten, den Klatsch für mich zu behalten, werden sie glauben, es gibt pikante Geheimnisse. Und das würde sie nur noch mehr anstacheln, sie aus Ihnen herauszukitzeln.«
»Ich habe keine Geheimnisse«, sage ich und amüsiere mich inzwischen über diese Frau, die ganz offensichtlich ein großes Interesse an den Details meines Lebens hegt. Wahrscheinlich sollte ich mich geehrt fühlen, dass sie mich besucht – so etwas wäre mir in London nie passiert, da wusste man selbst von seinen direkten Nachbarn nichts. »Tut mir leid, Sie zu enttäuschen, aber an mir ist nichts außergewöhnlich.«
»Ach, da behauptet Guy aber etwas ganz anderes.«
»Guy?«
»Oh, ja. Er findet Sie nämlich sehr wohl außergewöhnlich.«
Jetzt werde ich neugierig.
»Ich war heute Morgen bei ihm. Ich habe seiner Mutter versprochen – bevor sie endgültig vergaß, wer ich bin –, auf ihn aufzupassen.« Fifi schüttelt den Kopf. »Das ist das Mindeste, was ich für die arme Mary tun kann.«
Fifi hebt ihre Handtasche hoch, legt sie hinten auf den Tisch und zieht ein Bündel Papiere heraus.
»Ich kann sie Ihnen hierlassen, wenn Sie gerade zu beschäftigt sind«, sagt sie. »Es sind ein paar Merkblätter zu den verschiedenen Gottesdiensten, die es hier am Ort gibt. Wenn Sie gerne dem Pfarrer oder Baptistenpriester vorgestellt werden möchten, kann ich das gerne für Sie organisieren. Und hier ist die Praxisnummer unseres Arztes in Talyton. Ich kann Dr. Mackenzie nur wärmstens empfehlen. Er hat wahre Wunder mit meinen entzündeten Fußballen vollbracht.«
Ich bemerke, dass Fifi durch die Küche wandert, als ob sie eine Bestandsliste meiner Siebensachen erstellen
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