Schnupperküsse: Roman (German Edition)
wünsche Ihnen für Ihr Vorhaben alles Gute.«
Das werde ich wohl brauchen, fürchte ich.
»Lucky Copeland«, ruft die Tierärztin von der Tür aus, die ins Behandlungszimmer führt. »Würden Sie bitte durchkommen?«
Lucky gibt mehr als deutlich zu verstehen, dass er das überhaupt nicht möchte, und ich muss ihn hinter mir herziehen. Die Tierärztin ist groß, hellblond und Anfang dreißig. Das Oberteil sieht aus wie der OP -Kittel eines Chirurgen, nur dass dunkelblaue Abdrücke von Pfoten darauf zu sehen sind.
Da ich noch nie vorher in einer Tierarztpraxis gewesen bin, kann ich, was das weitere Vorgehen betrifft, nur auf das zurückgreifen, was ich vor Jahren in der Serie Der Doktor und das liebe Vieh gesehen habe.
»Soll ich ihn auf den Tisch heben?«, frage ich.
»Ja, tun sie das.« Die Tierärztin lächelt. »Ich heiße übrigens Maz. Ich kenne Lucky schon …« Sie sieht Luckys Akte durch. »Was kann ich für ihn tun?«
»Er muss geimpft und gechipt werden.«
»Gab es bisher irgendwelche Probleme mit ihm?«
»Nein, allerdings haben wir ihn erst seit einer Woche.«
Die Tierärztin untersucht ihn, und nachdem sie ihn mit einer dicken Nadel, bei deren Anblick ich das Gefühl habe, gleich in Ohnmacht zu fallen, geimpft und gechipt hat, küsst sie ihn. Eine Tierärztin, die ihre Patienten küsst? Das kam bei James Herriot nie vor.
Lucky erlaubt mir zwar, dass ich ihn wieder vom Tisch hebe, doch darf ich ihn nicht wieder auf den Boden setzen, so dass ich ihn vor zum Empfang trage, wo ich, meiner Meinung nach, eine riesige Rechnung für einen so kleinen Hund bezahle und sich mir die Frage aufdrängt, ob die Tierärztin ihre Dienste in Abhängigkeit der Größe des Hunds in Rechnung stellt. Ich trage Lucky immer noch auf dem Arm, als ich die Straße hinunter zum Metzger gehe, wo ich ihn draußen an einem Haken in der Wand anbinden muss, neben einer Wasserschüssel, die ein fürsorglicher Mitmensch für die Hundebewohner von Talyton St. George hingestellt hat. Da ich Avril meinen Zettel für Jennies Cakes nicht in die Hand drücken konnte, weil der Hund im Weg war, gebe ich ihn im Laden ab und kaufe ein paar Würstchen.
Zum Abendbrot esse ich drei von ihnen und gebe Lucky eins, weil er beim Tierarzt so ein guter Junge gewesen ist. Den Rest friere ich ein. Als die Abenddämmerung hereinbricht, sitze ich das zweite Mal in Folge mit Tee- und Duftkerzen im Wohnzimmer, Lucky mir zu Füßen. Während er an einem Stück Rohleder kaut, lasse ich den Tag und meine Begegnung mit Frances und Avril Revue passieren, und ich frage mich, ob ich mir zu viel vorgenommen habe.
Denk positiv, sage ich zu mir. Den Einheimischen bleibt gar nichts anderes übrig, als sich über meine Geschäfte Gedanken zu machen. Das würde ich an ihrer Stelle auch tun.
Lucky knurrt. Ich horche auf und höre gespannt. An der Haustür klopft es. Lucky springt hoch und rennt bellend durch den Flur. Ich folge ihm, entriegele die Tür und halte Lucky am Kragen fest, während ich sie öffne. Guy steht mit einer Laterne in der Hand auf der Veranda.
»Sie haben die Tür abgeschlossen«, sagt er.
»Macht der Gewohnheit«, erwidere ich lächelnd.
»Ich sah zufällig, dass sie bei Kerzen im Dunkeln saßen. Wahrscheinlich liegt es an einer Sicherung … ich dachte, ich könnte helfen.«
»Oh nein. Der Strom ist nicht ausgefallen.« Ich lasse Lucky los. »Ich mag einfach Kerzenlicht«, sage ich, um das betretene Schweigen zu durchbrechen. »Ich finde Kerzenschein romantisch.« Wieso habe ich das denn jetzt nur gesagt? Jetzt bin ich an der Reihe, verlegen zu sein. Ich hoffe, er denkt nicht, ich winke mit dem Zaunpfahl.
»Ich finde sie eher unpraktisch und altmodisch«, meint Guy in leicht neckendem Ton. »Ich habe Sie gestört, Jennie. Das tut mir leid.« Er macht einen Schritt zurück in die Dunkelheit.
»Sie müssen sich nicht entschuldigen. Kommen Sie doch herein. Wenn Sie wollen, meine ich.«
»Ich dachte …« Er zögert. »Na ja, ich wusste, dass Sie allein sind. Abgesehen von dem Nagetier natürlich.«
»Ja. Los, Lucky, geh weg!« Ich verscheuche ihn von meinen Füßen, auf die er sich gelegt hatte, doch er bleibt in der Nähe.
Guy tritt wieder zurück in den Schein des Lichts und lächelt schüchtern. »Tut mir leid, was ich letztens gesagt habe – dass Sie das kleinere Übel gewesen wären. Ich habe darüber nachgedacht. Es muss bei ihnen anders angekommen sein, als ich es gemeint habe.«
»Ach, machen Sie sich keine Gedanken«,
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