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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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setzte er an, hielt dann inne und ging zum Fenster.
    »Danke«, sagte sie und zog noch einmal die Nase hoch. »Hast du ein Taschentuch?«
    »Ja, hier.«
    »Danke.«
    Sie putzte sich die Nase und sah ihn nicht an.
    »Du?« sagte er.
    »Was?«
    »Es tut mir leid, daß …«
    »Schon gut, denk nicht mehr daran.«
    »Aber du …«
    »Es war eine hässliche Laune von mir – mehr nicht.«
    »Ich suche mir einen Job, aber – er muß das sein, was ich mir vorstelle.«
    Sie zog wieder die Nase hoch und nickte. »Und was stellst du dir ungefähr vor?«
    »Ah, was ich mir vorstelle?« Er lehnte den Kopf an die Wand, ein seltsames Lächeln glitt über sein Gesicht. »Glück, Grace. Glück, das in einem Garten an den Bäumen wächst, das wir abpflücken können wie dicke goldene Äpfel, in das wir hineinbeißen können, daß uns der Saft über das Kinn läuft. Ich möchte, daß immer die Sonne scheint, daß dein Haar so lang und golden bleibt, daß deine Augen vor Staunen leuchten, daß dein Mund nach Klee schmeckt. Ich möchte einen langen weißen Strand und einen Ozean wie das Rauschen in einer Muschel; ich möchte deine Fingerspitzen küssen und deinen Nabel, dich in der Sonne lieben und lachen, sooft es regnet – wenn es überhaupt je regnet; aber es regnet nie. Und unsere Kinder, oh, sie werden rund sein und gesund, mit deinem blonden Haar und meinen blauen Augen, und Gott wird auf uns herniederlächeln, Grace, er wird mit seinem großen weißhaarigen, bärtigen Gesicht über uns lächeln und uns mit Glück und Freude überschütten. Wir werden ewig leben, Grace, wir werden die Welt durchstreifen wie die Wikinger England und Spanien …«
    »Ja, Mallorca …«, sagte sie.
    »La Costa Brava …«
    »Frankreich …«
    »Frankreich, ja, und Italien …«
    »Rom und Venedig …«
    »Florenz und Mailand …«
    »Ja, Mailand …«
    »Überall, Grace, überall, wo wir hingehen wollen. Und nur, weil wir so verdammt glücklich sind und weil wir uns lieben, wenn du nur – wenn du nur …«
    »Ja, was?«
    »Wenn du nur bei mir bleibst«, sagte er.
    Überrascht schaute sie auf. »Aber natürlich bleibe ich bei dir.«
    »Für immer«, sagte er.
    »Für immer«, wiederholte sie.
    »Grace?«
    »Ja?«
    »Du solltest – du solltest dich nie wieder fragen, wer du bist.«
    »Aber …«
    »Ich bitte dich darum. Denn wenn du es tust – dann würde ich auch nicht mehr wissen, wer ich bin. Und dann wären wir beide verloren.«

15
    Sie saßen im Keller des Hauses auf dem Fußboden, den Rücken an der Preßschlackenwand. Sie hatten eine Liste von Dingen zusammengestellt, die sie aus der Spirituosenhandlung und dem Kolonialwarenladen brauchten, und nun saßen sie mit verschränkten Händen und warteten auf die Wäsche.
    Sie trug ihren roten Bademantel, den Gürtel fest zugeknotet. Ihre linke Hand hielt seine rechte, ihr Kopf ruhte an seiner Schulter. Er hatte die Hose angezogen und einen alten Pullover. Beide waren barfuss.
    Überall ringsum vibrierten die Geräusche des Hauses. Die Waschmaschine summte, klickte, klapperte und absolvierte einen Waschvorgang nach dem anderen. Über ihnen gluckerten die Wasserröhren unregelmäßig; an der gegenüberliegenden Wand sammelte sich das Tropfwasser in einer kleinen Pfütze. Dann und wann rauschte die Toilettenspülung, erklangen Fußtritte und unverständliche Stimmen über ihnen. Am anderen Ende des Kellers war ein kleines Fenster. Es regnete nicht mehr, dafür war ein kräftiger Wind aufgekommen; bei jedem neuen Windstoß klapperte das Fenster im Rahmen. Myriaden von Geräuschen, die zum Flüstern ermutigten.
    »Was wir tun könnten?« sagte sie. »Wir könnten sehen, daß wir es loswerden.«
    »Und wie? Das kostet Geld.«
    »Gibt es denn keine Pillen oder dergleichen?«
    »Ich glaube nicht. Nicht, um – nun, nicht, um es loszuwerden.«
    »Mein Vater würde uns Geld geben. Ich glaube, er würde es tun.«
    »Aber ich kann ihn nicht darum bitten. Nicht um so etwas, meine ich. Außerdem würden sie dir sagen, daß du es ruhig bekommen kannst.«
    »Himmel, das kommt mir gerade gelegen! Genau das habe ich nötig!«
    »Nun, weißt du, schließlich sind wir verheiratet. Ich sehe nicht ein …«
    »Ich bin halbtot vor Angst.«
    »Warum?«
    »Ich weiß nicht. Meine Großmutter ist im Kindbett gestorben.«
    »Das ist lange her, Grace. Heutzutage stirbt niemand mehr im Kindbett.«
    »Ich glaube, es tut fürchterlich weh.«
    »Nein, sie geben dir eine Narkose. Du merkst nicht

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