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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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im Bauch, so wird sie mich eines Tages verlassen; mehr ist dazu nicht zu sagen. Er zuckte die Achseln. Den Gedanken weiter zu verfolgen, schien wenig sinnvoll; schließlich hatte er sich bereits entschlossen, sie zu verlassen. Doch dann ertappte er sich dabei, daß er den Gedanken in die Negation setzte und entdeckte, daß wenigstens die Negation noch einige Hoffnung barg.
    Wenn ich Grace jetzt nicht verlasse, wird sie mich eines Tages auch nicht verlassen.
    Irgend etwas stimmte an diesem Gedanken noch immer nicht – er ahnte nicht, was. Ein seltsames Gefühl sagte ihm: was daran nicht stimmte, hatte mit Grace selbst zu tun, mit der Tatsache, daß er nie eine Möglichkeit haben würde, sie zu hindern, wenn sie ihn verlassen wollte. Doch gerade in diesem Gedanken lag Hoffnung.
    Hoffnung worauf, fragte er sich.
    Nun – Hoffnung, daß schließlich alles ein gutes Ende findet.
    Denn so soll es sich doch vollziehen, wusstest du das nicht? Jeden Tag widerfahren dir noch vor der Werbesendung die schlimmsten Versuchungen und Widrigkeiten, und am Samstag findet dann alles ein gutes Ende. Dann greift die Kavallerie ein. Denn darum dreht es sich doch, weißt du das nicht? Gerade das hält uns in Gang: die Sicherheit, daß alles ein gutes Ende findet: die Hypothek wird eingelöst, der Widersacher überwunden, jedermann ist reich und glücklich, und bei Sonnenuntergang endet es mit einer Umarmung.
    Er grinste plötzlich. Wer glaubt denn hier, ich hätte Angst vor Tigern, dachte er. Ha! Die Kavallerie greift ein. Wer zum Teufel hat schon Angst vor Tigern!
    Er ging zur Badezimmertür und hämmerte wütend dagegen. Die Tür öffnete sich. Sie hatte ihren roten Bademantel an, den Gürtel fest zugeknotet, und musterte ihn mit neugierigem Lächeln.
    »Ah, jetzt kommt er endlich«, sagte sie. »Nachdem ich mit dem Lippenstift fertig bin.«
    »Hör zu, Grace«, sagte er.
    Über ihre Schulter hinweg sah er sein eigenes Bild im Spiegel über dem Waschbecken. Seine Augen leuchteten, ein hochgestimmter, gespannter Ausdruck lag in seinem Gesicht.
    »Ja, was ist?« fragte sie.
    »Was ist das hier?« fragte er. »Eine verdammt riesige Stadt?«
    »Ja, es ist …«
    »Was ist das? Eine unermessliche Welt?«
    Jetzt lächelte sie nicht mehr; sie musterte ihn ernsthaft, und ihre Augen verrieten ernsthafte Anteilnahme.
    »Hast du Angst vor Tigern?« fragte er.
    »Ja«, sagte sie, »ich habe eine Höllenangst vor …«
    »Ich nicht«, sagte er. »Was sind schon Tiger? Wir sind beide jung, nicht wahr? Wir schaffen es doch, nicht wahr?«
    »Wenn man mit achtundzwanzig noch jung ist, dann …«
    »Wir überstehen diese verdammte Geschichte, Grace. Wir schaffen es, daß sie so läuft, wie wir wollen, hörst du? Du bist zweiundzwanzig – warum zum Teufel solltest du nachts im Bett weinen?«
    »Was ist?« fragte sie sanft. »Was meinst du? Ist etwas …«
    »Kaffeekochen und am Samstagmorgen aus dem Bett rollen ist nicht alles, Grace. Was zum Teufel gibt es denn da draußen? Tiger? Wer hat schon Angst vor Tigern? Du lieber Gott, ein kleiner Negerjunge im Dschungel hat schon Himbeergelee aus ihnen gemacht!«
    »Was hast du im Radio gehört? Hat dich etwas geärgert?«
    »Sie haben ihm die Hose und das Hemd und die Schuhe und den Regenschirm weggenommen, wie uns, Grace; aber dann hat die Kavallerie eingegriffen, nicht wahr? Und wo endeten sie? In der Pfanne! Wer hat also Angst vor ihnen?«
    »Du machst mir Angst«, sagte sie.
    »Es gibt nichts, wovor man Angst haben müßte. Die anderen haben die Regeln gesetzt, ja? Gut, dann lernen wir die Regeln. Wir spielen das Spiel auf ihre Art, warum nicht? Wir gehören zueinander, nicht wahr?«
    »Ja«, sagte sie, »wir gehören zueinander.«
    »Nur deine Hilfe brauche ich.«
    »Ich helfe dir.«
    »Und ich werde wissen, wer ich bin, hörst du?«
    »Ja. Du wirst es wissen.«
    »Ich brauche deine Hilfe, Grace.«
    »Ich helfe dir, so viel ich kann.«
    »Weißt du, was ich gerade tun wollte? Ich war drauf und dran, dich zu verlassen. Verstehst du das? Ich war drauf und dran, allein wegzugehen, Grace! Was hättest du dann getan? Was hättest du getan, allein mit deinem dicken Bauch in dieser leeren Wohnung? Ja, was? Du würdest weinen, allein, wie ich dich Nacht für Nacht weinen hörte; du kehrtest mir den Rücken zu, ich lag mit bebenden Muskeln neben dir, und die Wohnung um uns war wie eine Gruft. Allein, Grace! Wie habe ich nur daran denken können?«
    Sie musterte ihn schweigend und warf dann einen Blick zum

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