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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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er mir das Leben gerettet. Wenn das etwas wert ist.«
    »Sie haben es sich selbst gerettet«, sagte Buddwing.
    »Ich werde nüchtern«, sagte die Blonde. »Ihr Einfluß auf mich ist nicht unbedingt günstig. Wie konnte ich mich nur mit einem Menschen wie Ihnen einlassen?«
    »Ich weiß nicht. Wohl nur ein glücklicher Zufall.«
    »Ja, ja, ein glücklicher Zufall«, sagte die Blonde. »Wo ist die Flasche?«
    »Nüchtern gefallen Sie mir besser.«
    »Ob ich Ihnen gefalle oder nicht, interessiert hier keine Seele. Geben Sie mir die Flasche.«
    »Nein.«
    »Himmel, was für ein schwieriger Mann«, sagte sie und seufzte. »Wann sind Sie geboren?«
    »Am zehnten Januar.«
    »Steinbock also. – Nicht, daß ich noch an solches Zeug glaube«, sagte sie achselzuckend. »Ich glaube an überhaupt nichts mehr, wenn Sie es genau wissen wollen. Nicht an die Sterne, nicht an Gott, nicht an Liebe, nicht an die Ehe, an nichts – nur an die fünfhunderttausend Dollar, die wir heute nacht einsammeln, und an den Cadillac, in dem wir sitzen. An mehr nicht.«
    »Woher wissen Sie, daß wir die fünfhunderttausend Dollar bekommen werden?«
    »Weil wir sie brauchen.«
    »Wozu?«
    »Wozu?«
    »Um zu gewinnen.«
    »Um was zu gewinnen?«
    »Das Spiel.«
    »Aha, das Spiel. Und wenn wir es gewinnen?«
    Sie zuckte die Achseln. »Dann gewinnen wir es eben.«
    »Und was gewinnen wir?«
    »Das Recht, weiterzuspielen«, erwiderte sie. »Das Recht, jedes Mal, wenn Grün kommt, zweihundert Dollar zu kassieren. Das Recht, im Spiel zu bleiben, mehr nicht. Bis wir bankrott sind.«
    »Und dann?«
    »Dann sind wir draußen. Wir packen unsere Hotels und Häuser zusammen und vertauschen Boardwalk und Park Place mit der Queensboro Bridge. Wo soll man sonst hin, wenn man bankrott ist?«
    »Wenn man gewinnt, ist man nie bankrott«, sagte Buddwing.
    »Ach wirklich?« erwiderte die Blonde. »Sie sind doch verheiratet – fragen Sie Ihre Frau. Gehen Sie nach Hause und sagen Sie zu ihr – wie heißt sie noch?«
    »Grace.«
    »Gehen Sie nach Hause und sagen Sie zu ihr: ›Grace, kann man zur gleichen Zeit gewinnen und bankrott sein?‹ Sie werden hören, was sie Ihnen sagt.«
    »Das ist leider nicht möglich«, sagte Buddwing.
    »Natürlich, weil Sie die Antwort von vornherein wissen.« Sie warf einen Blick durchs Fenster und sagte: »Da ist die Penny-Arkade. Lassen wir Ihren Namen in die verdammte Zeitung setzen. Halten Sie da vorn, Fahrer.«
    »Madam, da vorn steht ein Parkverbotsschild«, sagte der Fahrer.
    »Das nehmen wir auch mit zur Party«, sagte die Blonde. »Reißen Sie es bitte vom Pfahl.«
    »Ich?« fragte der Fahrer.
    »Ja, Sie. Wollen Sie etwa Ihr ganzes Leben lang ein kleiner Chauffeur bleiben? Nun werden Sie schon ein bißchen lebendig!«
    »Ja, aber …«
    »Kommen Sie«, sagte sie zu Buddwing, und sie stiegen aus.
    Es war Mitternacht in New York, Samstagnacht; auf den Trottoirs des Broadway drängten sich Menschen, hungrig nach Vergnügen, und verbargen ihre gebrochenen Herzen vor all den Lichtern, unter denen die Risse und Sprünge sichtbar geworden wären. Den Beleuchtungssystemen schien es nur um Ausdehnung und Lichtstärke zu gehen, jeder glühende Damm streute eine Flut wirbelnder, blinkender, rasender, explodierender Illumination in die Nacht. In tausendfacher Lebensgröße, millionenfach heller als der Tag, schrien sie ihre Anpreisungen in die Straße hinaus, bis es den Hirnen schwindlig wurde. Die Leute drunten, wie auf der Flucht vor fallenden Wattstärkentrümmern, stießen blind gegeneinander, suchten die menschlicheren Gefilde der Läden und Restaurants zu beiden Seiten der Straße. Die Theater hatten geschlossen, die Filme waren zu Ende, und nun wälzte sich die Menge der Samstagnacht durch die enge, von schreiender Beleuchtung gesäumte Schlucht, wie eine Viehherde, die schwerfällig und mühsam einem elektrischen Zaun zu entgehen sucht.
    In dieser Menge, die sich auf den Trottoirs drängte und auf die Straße überquoll, ständig zwischen Lichtzäunen, gab es wenig Gleichheit. Zwar jagten alle ihrem Vergnügen nach, aber niemand hatte die Absicht, es mit anderen zu teilen. Es war nicht eine Masse von Gleichgesinnten, die soeben ein Fußballspiel gesehen hatten und nun das Stadion verließen; im Gegenteil – es war eine Masse, die in ein Stadion einströmte, einig nur in dem unbehaglichen Vorgefühl, innerhalb des hellerleuchteten Ovals selbst für Unterhaltung sorgen zu müssen. Die Leute musterten einander fast argwöhnisch.

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