Schock
War der Blinde dort, der seinen Hund führte, wirklich blind? Ging es den Halbwüchsigen um Spaß oder Aufruhr? War das echter Nerz oder eine Imitation?
Die Verkäuferin von der Vierzehnten Straße hatte den ganzen Nachmittag in einem Schönheitssalon verbracht und ihr Haar waschen und färben, kämmen und legen, besprühen und fixieren lassen, nur damit eine Frau von Washington Mews vorbeigehen und ihrem Begleiter zuflüstern konnte: »Lieber Gott, hast du diese gekreppte Perücke gesehen?« Es war Samstagnacht; jetzt konnte sich sogar ein Haufen halbwüchsiger Puertorikaner vom Bruckner Boulevard in die Stadt wagen und das Gefühl haben, zumindest einen Teil davon zu besitzen (»… hier wimmelt es förmlich von dem farbigen Pack«, würde ein Italiener in der zweiten Generation von der Fordham Road zu seiner Frau sagen). Es war Samstagnacht, allzu flüchtig, allzuschnell in die Vergangenheit entschwindend – wieviel Samstagnächte würde es noch geben, bevor das Ganze sein Ende fand? Dies war die Zeit der Vergnügungen, eine schmale Frist zwischen Freitagabend und Sonntagfrüh. Gab es Drinks, so war jetzt die Zeit, sie hinunterzuschütten; weißt du einen Witz, so erzähle ihn jetzt; willst du eine Frau verführen, so tue es schnell, bevor das Licht wieder eingeschaltet wird und sie nach der Polizei ruft; ist Gelegenheit, Mambo zu tanzen, Schlager zu singen, Streit anzufangen, Aufruhr zu erregen – tanze jetzt, singe jetzt, schlag jetzt zu, errege Aufruhr; das ist Samstagnacht, viel zu kurz, um all das Vergnügen darin zusammenzupressen, viel zu knapp, den langen Traum der Woche zu verwirklichen. Gelingt es dir jetzt nicht, zum Teufel, so wirst du bis zum nächsten Samstag warten müssen, und wer kann wissen, ob es dich dann noch gibt?
Sie verließen die vorschriftswidrig geparkte Limousine und schoben sich gegen den Strom durch die Menge, an den Schaufenstern der Arkade vorbei, an monströsen Pappmasken, Scherzartikeln, Andenkenaschenbechern und Empire State Buildings aus Spritzguss. In der Arkade drängten sich Halbwüchsige und Leute gesetzteren Alters, die sich noch an den Luna-Park erinnern konnten. Spielautomaten klapperten und blinkten, Gewehre knallten, Kugeln pfiffen, ein junges Mädchen in hochtoupierter Frisur jauchzte seinem Freund zu, nachdem es mit einem elektronischen Maschinengewehr hundertvierzig Messerschmitts abgeschossen hatte. Am einen Ende der Arkade, neben einem Mann, der nackte Mädchen auf seidene Krawatten malte, stand eine primitive Druckpresse, bedient von einem Mann in schwarzfleckigem Kittel. Den Künstler, der gerade dem Konterfei einer verführerischen Rothaarigen die Brustwarzen aufpinselte, umdrängte die Menge; nur ein Neger sah zu, wie der Drucker eine feuchte Zeitung aus der Maschine zog. EIN JUNGE FÜR COHENS lautete die Schlagzeile. Buddwing und die Frau gingen geradewegs zum Tisch des Mannes.
»Mein Freund möchte seinen Namen in der Zeitung lesen«, sagte sie.
Der Drucker schaute auf. »Mit welchem Text?« fragte er. »Hier, schreiben Sie auf. Nicht mehr als fünfundzwanzig Buchstaben, die Zwischenräume zählen mit.«
»Und wie lange dauert das?« fragte sie.
»Halbe Stunde. Sie können warten oder wiederkommen, ganz wie es Ihnen paßt.«
»Glauben Sie, wir schaffen fünfhundert Mille in einer halben Stunde?« fragte sie und blinzelte Buddwing zu.
»Da gibt's nur eine Möglichkeit«, sagte der Drucker, »nämlich die, daß ich sie Ihnen hier auf der Maschine abziehe.«
»Nein, wir brauchen richtiges Geld.«
»Das ist aber eine ganze Menge, Madam«, sagte der Neger am Tisch.
»Nicht, wenn man Glück hat«, erwiderte sie lächelnd.
»Und Sie haben Glück, Madam?«
»Ich habe Glück. Der Herr im blauen Anzug hier ist mein Talisman.«
Der Neger musterte Buddwing abschätzend, nickte dann und sagte: »Ich glaub's Ihnen.«
»Wir dachten daran, eine Bank auszurauben«, sagte die Blonde. »Wissen Sie zufällig eine, bei der es sich lohnt?«
»Ich wüsste ein paar in Birmingham, bei denen es sich lohnt«, sagte der Neger, »aber das ist weit weg.«
»Etwas näher wäre uns schon lieber.«
»Fünfhundert Mille ist eine ganze Menge, Madam«, sagte der Neger noch einmal. »Die meisten Banken behalten das Zeug übers Wochenende nicht im Haus.«
»Wollen Sie nun eine Zeitung oder nicht?« fragte der Drucker. »Ich habe noch mehr zu tun.«
»Wir wollen«, sagte die Blonde.
»Dann schreiben Sie den Text auf, wenn's recht ist.«
»Was sollen wir schreiben?«
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