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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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wir's«, sagte die Blonde. Als sie zum Wagen trat, sagte der Neger: »Ich heiße Hank. Den Namen des Herrn hier weiß ich; ich habe ihn in der Zeitung gesehen.« Er grinste breit. »Aber mir scheint, Madam, wir hatten das Vergnügen noch nicht miteinander.«
    Die Blonde zögerte. Dann öffnete sie den Wagenschlag, blinzelte Buddwing zu und sagte: »Sagen Sie Grace zu mir.«
    Als sie ankamen, war Spanish Harlem voll in Betrieb, überlaufen von den Mannschaftsgraden einer im Hudson River ankernden Zerstörerflottille, die sich auf der Suche nach Exotik und Erotik in den Norden der Stadt verirrt hatten. Die einzigen Ortsansässigen, die mit ihnen zu tun hatten, waren die Prostituierten und die Diebe; beiden bot sich eine reale Chance, die Matrosen noch vor Sonnenaufgang auszunehmen. Der Rest der Bewohner ignorierte die Marine und ging ebenso entschlossen seinen Vergnügungen nach wie die Menge auf dem Broadway. In den Bars an der Madison und Park Avenue drängten sich die Zecher; aus den Mietswohnungen der Seitenstraßen erklangen Gitarren und spanische Lieder, auf den Treppenstufen saßen Halbwüchsige und liebkosten verstohlen ihre Mädchen und ihre Thunderbird-Flaschen. Zwar war dies nicht San Juan oder Mayaguez in Puerto Rico – doch es war Samstagnacht, und für eine Zeitlang herrschten in diesem Ghetto der gleiche Humor und die gleiche Freude wie auf den Kleinstadtplazas zu Hause. Es würde ein paar Prügeleien geben, gewiß; vielleicht würden ein paar jugendliche Bandenmitglieder aneinander ihre Muskeln erproben, schließlich war es Frühling und die Sommersaison der Straßenkämpfe nicht mehr weit, doch sicher würden die Polizisten, die zu zweit ihre Streife gingen, nicht mehr Sorgen haben, als betrunkene Messerstecher und ein paar Matrosen mit Beulen auf den Schädeln sie normalerweise mit sich brachten.
    Der Revierpolizist der Wohnungsbehörde teilte diese Sorgen nicht; er befand sich nicht auf Streifengang, sondern im vierten Stock eines stadteigenen Wohnblocks an der Hundertvierzehnten Straße, in einer Wohnung, von deren Fenstern aus man auf die Fifth Avenue hinuntersah. Der Revierpolizist der Wohnungsbehörde war in dieser Wohnung keineswegs allein. Vielmehr gehörte er zu einer Gruppe, die ungefähr ein Dutzend Köpfe zählte und sich um eine Decke drängte, die vor der Wand des Wohnzimmers auf dem Fußboden ausgebreitet war. Gerade als Buddwing, Hank und Grace zu dieser Gruppe stießen, griff der Revierpolizist nach den Würfeln auf der Decke, schüttelte sie in der Faust, rief »und jetzt die Acht« und schleuderte sie dann mit aller Kraft gegen die Wand. Hank, Buddwing und Grace sahen, wie die weißen Würfel gegen die Wand prallten, fast bis zur Mitte der Decke rollten und dann liegen blieben; der eine zeigte eine Fünf, der andere eine Zwei. Aus Rücksicht auf die anwesenden Damen (mit Grace waren es drei) murmelte der Revierpolizist seinen Fluch nur mit halber Stimme, seinen Nachbarn säuerlich musternd, als hätte der Mann ihn behext. Der Nachbar, ein Bündel Zehndollarnoten in der Faust, ignorierte den Blick, rückte seine randlose Brille zurecht und griff nach den Würfeln. Buddwing und Grace drängten sich in den Kreis und sahen zu, wie der Bebrillte erst eine Sieben warf und dann eine Sechs; auch mit dem dritten Wurf erreichte er seine Punktzahl nicht. Die Würfel wurden an eine junge Mulattin namens Iris weitergegeben; sie nahm sie, schalt sanft mit ihnen, als wären sie ein störrisches Liebespaar, und ließ sie dann aus der offenen Hand gegen die Wand rollen, von der sie abprallten – der eine Würfel zeigte eine Drei, der andere eine Eins.
    »Zwei zu eins, keine Vier«, sagte ein massiger, fleischiger Mann in dunkelgrauem Sommeranzug, und zu Buddwings Überraschung reichte Grace ihm ihre Hundertdollarnote und sagte: »Die Wette gilt.« Der Mann im grauen Sommeranzug nahm die Note, klemmte sie zusammen mit seinen eigenen beiden Noten zwischen Zeige- und Mittelfinger seiner Rechten und forderte, die Hand schwenkend, zu weiteren Einsätzen auf – »zwei zu eins, keine Vier«; die Mulattin hob die Würfel auf, hauchte ihren Atem darüber, sanft wie einen Kuß, und ließ sie abermals aus ihrer weißlichen Handfläche gegen die Wand rollen. Sie prallten ab und zeigten je eine Zwei – Little Joe, die Vier zu gleichen Teilen. Grace kassierte ihr Geld – ihr Kapital war mit einem einzigen Wurf auf dreihundert Dollar gestiegen –, und Iris, die Mulattin, setzte fünfzig Dollar, nahm

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