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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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lehnte, während ihre rauhe Hand sanft und zärtlich sein Gesicht streichelte. Er zog ihren Morgenrock beiseite und enthüllte ihre Brüste.
    »Ja«, sagte sie, »ruh dich aus.« Sie zog seinen Kopf an ihr weiches, nachgiebiges Fleisch. Er schloß die Augen und roch den schweren Parfumduft, der zwischen ihren Brüsten aufstieg. »Was machen wir nur mit dir?« fragte sie. Ihre Stimme war nur noch ein Flüstern. »Armer Junge, weißt nicht, wer du bist, was zum Teufel machen wir mit dir?«
    »Weiß nicht«, murmelte er.
    »Wirklich keine Ahnung?« fragte sie.
    »Nein.«
    »Ja, ja«, sagte sie. In ihrer Stimme klang ein Echo jener Verzweiflung, die er schon am Telefon darin vernommen hatte, als sie noch glaubte, er wäre Sam, ihr Mann, der anrief, weil er wieder betrunken war. »Du hast also keine Ahnung, wer du bist?«
    »Ich weiß nicht einmal, wie ich den Kaffee nehme«, sagte er.
    »Ach ja«, sagte sie und fing wieder an zu lachen.
    »Ja«, sagte er, an ihrer Brust kichernd.
    »Vielleicht nimmst du ihn schwarz? Warst du im Krieg?«
    »Ich weiß nicht.«
    »Viele von den Jungen, die beim Heer oder auf See waren, nehmen ihn schwarz. Sam war nie dabei, der ewig Unabkömmliche – aber er nimmt ihn auch schwarz.«
    »Dann nehme ich ihn auch schwarz«, sagte er.
    »Soll ich ihn jetzt holen?« fragte sie.
    »Bleib«, sagte er in plötzlicher Panik.
    »Sicher, sicher«, sagte sie und tätschelte sanft seinen Kopf. Er drängte sich tiefer an ihren Busen und schloß die Augen, seltsam zufrieden. Doch das Gefühl des Friedens währte nicht lange. Das Tau der Erinnerung, das schlaff und gelöst am Grunde seines Bewusstseins lag, spannte sich wieder, plötzlich an beiden Enden emporgerissen. Hätte dieses Tauziehen nicht wieder eingesetzt, so hätte er an ihrer Brust für immer Ruhe finden können – einerlei, wer er war oder warum es ihn gab. Er hätte ihr billiges Parfum und ihren Schweiß riechen können, zulassen können, daß ihr Duft und ihre Wärme ihn einlullten und ihn mit Vergessen, einer warmen Decke gleich, umhüllten. Doch auf einmal wurde ihm erneut klar, daß er nicht wußte, wer er war, und daß er es vielleicht nie erfahren würde, wenn er in den Armen dieser Frau, an ihrer warmen Brust blieb. Unvermittelt hob er den Kopf von ihr weg. Seine Wange war plötzlich kalt. Er starrte in ihr Gesicht, als wäre er überrascht, zu entdecken, daß diese warmen, schützenden Brüste zu einer Person gehörten, begegnete dem Blick ihrer freundlichen blauen Augen und sagte bittend: »Du kennst mich nicht?« Sie starrte ihn an, als wolle sie zu weinen anfangen – als wünsche sie nur das eine: ihm sagen zu können, daß sie ihn kenne. Doch dann schüttelte sie betrübt den Kopf und sagte: »Nein, mein Junge, tut mir leid, ich kenne dich nicht.«
    Er seufzte tief, stemmte sich aus dem Sessel, stand auf. »Dann gehe ich wohl besser«, sagte er.
    »Wohin?«
    »Ich weiß nicht. Aber ich glaube, es hat keinen Zweck, zu bleiben.«
    »Trink deinen Kaffee«, sagte sie. »Er ist jetzt fertig.«
    »Nein. Schönen Dank, Gloria – wirklich, ich danke dir. Du warst sehr nett zu mir.«
    »Ach«, sagte sie in plötzlicher Verlegenheit.
    »Doch. Wirklich, Gloria. Ich danke dir. Aber jetzt muß ich gehen. Ich muß einfach fort.«
    »Hast du denn überhaupt Geld?« fragte sie, und ihre Augen zogen sich plötzlich listig zusammen.
    »Natürlich«, sagte er.
    Sie erhob sich von der Armlehne des Sessels und sagte: »Moment noch – daß du mir jetzt nicht plötzlich verschwindest!« Sie ging ins andere Zimmer – das Schlafzimmer, vermutete er –, kam mit ihrer Handtasche zurück, öffnete sie und streckte ihm eine Fünfdollarnote entgegen. »Da«, sagte sie, »nimm.«
    »Das brächte ich nicht fertig.«
    Sie antwortete nicht, streckte nur den Arm aus und stopfte die Note in die Brusttasche seines Jacketts, hinter seine Zigaretten. Er ließ sie sekundenlang nicht aus den Augen und sagte dann: »Warum das, Gloria?«
    »Du bist am Ende und außerdem hungrig«, sagte sie mit einem Achselzucken. »Hast du mir das nicht selbst am Telefon gesagt?«
    Er lächelte und nickte. »Ja«, sagte er. »Ich bin am Ende. Und hungrig.«
    »Dann sieh zu, daß du dich wieder findest«, sagte sie.

3
    Als er ihre Wohnung verließ und auf die Straße hinunterging, begann er sich irgendwie auf einen Schock einzustellen. Er ahnte nicht, welcher Art dieser Schock sein würde; doch er fühlte mit fast absurder Sicherheit, daß er kommen müßte – und zwar

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