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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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bald. Die Erwartung dieses Schocks ängstigte ihn nicht. Im Gegenteil – als er zum Broadway zurückging, nach rechts um die Ecke bog und südwärts weiterwanderte, fühlte er sich leicht und beschwingt.
    Welchen Anlass dieses plötzliche Gefühl der Leichtigkeit hatte, wußte er nicht. Er hatte Ruhe und Frieden kennen gelernt und ein beherrschendes Gefühl der Sicherheit an Glorias Brust; er hatte gezögert, zu gehen und seine Suche von neuem zu beginnen. Doch nun, da er sie wieder aufgenommen hatte – wenngleich ohne die geringste Ahnung, wohin er gehen und wo er damit anfangen sollte –, fühlte er sich wieder seltsam frei, als hätte er alle hindernden Fesseln abgestreift. Er mußte sich zusammennehmen, um nicht auf dem Broadway ins Rennen zu geraten. Und noch vor knapp fünf Minuten hatte er kaum gewagt, die Sicherheit von Glorias Wohnung aufzugeben.
    Er dachte an Gloria, während er die noch fast menschenleere Straße entlangging. Es war ungefähr sieben Uhr morgens; die meisten Geschäfte am Broadway waren noch geschlossen. Er entdeckte eine Cafeteria, die die ganze Nacht geöffnet war, und fand, daß er frühstücken sollte, aber er war nicht mehr hungrig; die Leichtigkeit in ihm schien alle anderen Gefühle auszulöschen. Er ging an der Cafeteria vorbei. Das Merkwürdige an Gloria war vielleicht, daß sie mit ihrem fetten Hintern und ihren törichten kleinen Pomponpantöffelchen im Grunde ein abstoßendes Weibstück war, und daß er sie doch nicht abstoßend gefunden hatte. Er fragte sich plötzlich, ob sie geglaubt hatte, er ginge mit ihr ins Bett. Irgendwie gefiel ihm der Gedanke – seine Zuneigung zu dieser dicken Schlampe, deren Mund man kaum sah, die ihm aber Wärme und Trost gespendet hatte, als er beides am dringendsten brauchte, war noch nicht ganz geschwunden. Und doch wußte er mit Sicherheit: wenn die Sache zur Sprache gekommen wäre, hätte er sie abweisen müssen. Und das überraschte ihn.
    Auch das Geld, das sie ihm gegeben hatte, verursachte ihm ein unbehagliches Gefühl. Er wußte, daß es Leute gab, für die fünf Dollar viel Geld waren; vermutlich gehörte auch Gloria zu diesen Leuten. Und gleichzeitig war ihm, als sei er gewöhnt, mit viel größeren Summen umzugehen, als zählte er das Geld nach Tausendern, als wären fünf Dollar unter dem Blickpunkt seiner normalen Existenz völlig bedeutungslos. Und doch fühlte er sich reich. Er hatte den Geldschein aus der Brusttasche genommen und in eine seiner Hosentaschen gesteckt; er fühlte sich wohlhabender als je in seinem Leben. Doch dann erinnerte er sich mit schiefem Grinsen, daß dieses Leben in Wirklichkeit vor etwas mehr als einer Stunde im Central Park begonnen hatte, daß er ohne Namen und ohne einen Cent in der Tasche aufgewacht war. Daß er sich mit fünf Dollar reich vorkam, schien nur natürlich. Und trotzdem war ihm, als wären diese fünf Dollar, die er mit den Kuppen seiner schmalen Finger in der Tasche ertasten konnte, nicht nur eine Menge Geld, sondern schlechthin alles Geld, das es in der Welt gab. Er fühlte sich enorm reich, überwältigend reich, nur weil er Glorias Fünfdollarnote in der Tasche hatte.
    Gerade das, begriff er, war das Eigenartige an Gloria: sie brachte ihn dazu, in dem anonymen Zustand, in dem er sich befand, Dinge zu akzeptieren und sich über sie zu freuen, obwohl sie ihm vermutlich in seinem normalen Leben nichts bedeutet hätten. Mein normales Leben, dachte er – wie sieht mein normales Leben aus? Vielleicht gibt es auch in meinem normalen Leben Frauen wie Gloria, die mir ihre schweren, fleischigen Brüste bieten, wie man einem Bettler Almosen gibt. Vielleicht rankt sich auch mein normales Leben um einen Haushaltsplan, für den schäbige fünf Dollar schon ein Vermögen darstellen. Wie zum Teufel sieht mein normales Leben aus, und wieso wäre das neue Leben, das heute früh im Central Park begann, weniger normal – wieso wäre es außergewöhnlich?
    Das Gefühl der Leichtigkeit in ihm war bedroht, er spürte es.
    Er begann, vor sich hinzupfeifen, ohne anfangs die Melodie wieder zu erkennen; dann begriff er, daß er das Hauptthema einer sehr bekannten Symphonie pfiff – er wußte nur nicht, welcher. Er ging die Namen der Komponisten, an die er sich erinnerte, durch: Tschaikowsky, Berlioz, Saint-Saëns, Schostakowitsch, Brahms, Beethoven, Bach, Prokofieff, Copland, Bernstein. Vielleicht hatte er Bernstein und Copland nur miteinander in Verbindung gebracht, weil er sich einer Schallplatte

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