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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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nicht bereit, für ihn die Zeche zu zahlen? Doch der Gedanke, daß Schwartz sich an seiner geliebten Gloria vergriff, an Buddwings Gloria, deren Brüste er kennen gelernt hatte – diese Vorstellung zerfiel nicht, bis er vor dem Kassenschalter stand. Die Kassiererin schaute zu ihm auf, lächelte und sagte: »Mr. Schwartz hat das erledigt.«
    »Wieviel war es?« fragte Buddwing.
    »Ein Dollar fünfunddreißig«, sagte die Kassiererin.
    Buddwing zog die Fünfdollarnote aus seiner Tasche und legte sie auf den Gummizahlteller. »Bitte, ziehen Sie ab«, sagte er.
    »Aber Mr. Schwartz …«
    »Ja, ich weiß. Ich fürchte, ich kann seine Großzügigkeit nicht annehmen.«
    »Aber …«
    »Bitte«, sagte Buddwing und gab der Fünfdollarnote mit dem Zeigefinger einen leichten Stoß.
    »Also gut«, sagte die Kassiererin unsicher. »Wie Sie wollen.«
    Sie nahm die Note, drückte mehrere Tasten an ihrer Kasse, und sein Wechselgeld klapperte heraus: ein Zehncent, ein Fünfcent, zwei Vierteldollar. Dann zog sie die Kassenlade und gab ihm drei Dollarnoten. Er steckte alles ein, lächelte ihr noch einmal zu und trat auf die Straße hinaus. Er besaß drei Dollar und fünfundsechzig Cent; noch war er reich. Er machte sich auf den Weg.
    Ein Gefühl der Furcht überfiel ihn fast unvermittelt; seine Ursache begriff er erst, als er feststellte, daß er sich an der Kreuzung von Broadway und Zweiundneunzigster Straße befand und daß das Kolonialwarengeschäft, in dem er als Sechzehnjähriger gearbeitet hatte, an der nächsten Ecke lag. Er wollte kehrtmachen, zurück zu Schwartz' Cafeteria, der Kassiererin sagen, es sei schon in Ordnung, daß Schwartz seine Zeche bezahle, dann Schwartz selbst ausfindig machen und mit ihm sprechen, ihm sagen, das mit Gloria störe ihn nicht, schließlich seien er, Schwartz, und Gloria fast gleichaltrig, er verstünde das, es sei in Ordnung. Doch seine Füße trugen ihn weiter, der Einundneunzigsten Straße immer näher, und seine Furcht verdichtete sich. Er wußte, jetzt brauchte er nur in den Laden zu treten und den Inhaber zu fragen, wer er wäre – ich habe bei Ihnen gearbeitet, als ich sechzehn war, erinnern Sie sich noch? Ich ließ damals einen Karton Eier fallen und mußte sie Ihnen bezahlen. Kennen Sie mich nicht? Und der Ladeninhaber würde ihn über den Rand seiner Brille mustern, vage nicken, unsicher lächeln und dann sagen: Ach, natürlich, ich kenne Sie noch, Sie sind …
    Ich will es nicht wissen, dachte er. Ich will es nicht wissen, hörst du? Ich will es nicht wissen!
    Er ging weiter, der Einundneunzigsten Straße zu.
    Er wußte, daß er in den Kolonialwarenladen gehen und seine Fragen stellen würde.

4
    Wie es schien, hatte sich nichts verändert.
    Es war dieselbe Ecke, in den Fenstern stapelten sich Konserven, zwei fahrbare Obststände auf dem Gehsteig, das Fahrrad mit dem Korb lehnte im Fahrradständer. Die Türen zu den unteren Lagerräumen standen weit offen, ein Siebzehnjähriger in weißer Schürze fegte den Gehsteig. Buddwing vermutete, daß es acht Uhr war oder kaum später; er erinnerte sich, daß auch sein Werktag einst um acht begonnen und um sechs geendet hatte. Er betrat das Geschäft.
    Es waren keine Kunden da; vielleicht war es dafür noch zu früh. Er warf einen Blick in den Hintergrund des Lagerraums, sah die Kühltruhe, und dabei fiel ihm wieder ein: dort hatte er die Eier fallen lassen. Dann sagte eine Stimme zu seiner Rechten: »Kann ich etwas für Sie tun, Sir?«
    Zuerst wollte er sich nicht umdrehen. Er starrte auf die Glasfront der Kühltruhe, dachte an die zerbrochenen Eier, seufzte, drehte sich um und ging zum Ladentisch. Der Mann hinter dem Tisch war ungefähr in Buddwings Alter, hatte schwarze Haare und tiefbraune Augen. Buddwing wußte sofort, daß er nicht der Inhaber des Geschäfts sein konnte, und dieses Wissen verstärkte seinen Drang, davonzulaufen. Wenn der Inhaber nicht zur Stelle war, auch gut, zum Teufel! Er hatte getan, was er konnte, oder etwa nicht?
    »Ich hätte gern den Inhaber gesprochen«, hörte er sich sagen.
    »Das bin ich«, sagte der Mann hinter dem Tisch.
    Buddwing musterte ihn eingehend. »Ich habe hier gearbeitet«, sagte er. »Ich weiß nicht – vielleicht vor zwanzig Jahren.«
    »Ja?« Der Mann wartete.
    »Der Inhaber trug eine Brille, ein älterer Mann.«
    »Mr. Di Palermo, ja«, sagte der Mann.
    »Ja. Ja, das war der Name.« Buddwing hielt inne. »Wo ist er jetzt?«
    »Er ist tot«, sagte der Mann hinter dem Tisch. »Schon

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