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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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Der Motor rührte sich nicht.
    »Mal einen Blick unter die Haube werfen«, sagte Jesse, öffnete die Wagentür und trat wieder auf die Straße. Unterdessen hatte sich eine Menge neugieriger Passanten angesammelt, die stehen blieben, um zu dem kleinen Wagen mit den zwei Chinesenmädchen und dem Seemann hinüberzuspähen, der abermals mit zornigem Winken das Gehupe der Wagen und Laster zum Schweigen zu bringen versuchte. Die meisten Fußgänger standen auf dem Gehsteig; nur einige von ihnen waren kühn genug, auf die Straße zu treten und einen lockeren Kreis um den Wagen zu bilden; sie beobachteten, wie Jesse die Vorderhaube des Wagens zu öffnen versuchte, und hörten, wie Sally, aus dem Fenster gelehnt, zu ihm sagte: »Nein, nein – der Motor ist hinten.« Der Revierpolizist blieb an der Ecke stehen, musterte die Menge, hörte das Hupen und einige Fetzen Lastwagenfahrer-Angelsächsisch, tat jedoch nichts gegen die Verkehrsstockung, nichts gegen die Mischung von Ärger und Heiterkeit, die, wie es schien, an der Straßenecke zum Ausbruch drängte. Die Heiterkeit war nicht zu leugnen, eine Art Ferienstimmung unter der Menge der Leute, die den kleinen Wagen umschwärmte, während Jesse den Motor inspizierte. Alle Zuschauer zeigten das gleiche, etwas betretene Lächeln, das zu sagen scheint: ›Sind die Leute nicht bei Trost, ist das nicht verrückt?‹ Sie lächelten zugleich ein wenig verlegen; Leute, die so lächeln, haben zwar an der Absurdität des Vorfalls ihren Spaß, aber in gewisser Weise auch ihren Anteil. Doch ebenso wenig war eine verärgerte Stimmung zu leugnen: Hupengedröhn, das zwischen den Häuserwänden der Straße wütend widerhallte, Lastwagenfahrer, die Lieferfristen einhalten mußten, Taxifahrer, die ihre Fahrgäste gern ausgeladen hätten, um für neue frei zu sein, Herren in Cadillacs und Continentals, die es eilig hatten, Sutton Place zu erreichen – alle pressten den Daumen auf die Hupenknöpfe, eine wilde Kakophonie, während Jesse den kleinen Motor untersuchte und dann wieder zur Fronthaube des Wagens ging.
    Die Menge, der Verkehr, die Heiterkeit, sogar die verärgerte Stimmung erinnerten Buddwing plötzlich an Japan, wo der kleinste unerwartete Zwischenfall gleichfalls eine Horde von Japanern zusammenströmen ließ, alle hinter ihren weißen Maskengesichtern lachend – lachend freilich mit dem Zorn eines geschlagenen Volkes, das nun Fremde im Land zu dulden hatte. Er warf dem Mädchen, das an der ihm abgewandten Seite im Wagen saß, noch einen Blick zu und entdeckte zu seiner Überraschung, daß es ihn noch immer neugierig musterte, als nähme es in Wirklichkeit nicht an diesem beschämenden Schauspiel teil und als argwöhnte es zugleich, daß auch Buddwing nicht daran teilnahm. Jesse kletterte in den Wagen zurück, Sally rutschte wieder über den Sitz, ihr Schenkel leuchtete hell auf, und dann versuchte Jesse es noch einmal mit dem Anlasser, und der Motor sprang an.
    »Das hätten wir«, sagte er; im gleichen Augenblick brandete in der Menge auf der Straße und auf den Gehsteigen Beifall auf, und das Hupen hinter dem Volkswagen verstummte wie auf einen plötzlichen, geheimnisvollen Befehl.
    »Wohin wollt ihr?« fragte Jesse; er saß noch immer hinter dem Steuer und machte keinerlei Anstalten, auszusteigen.
    »In die Südstadt«, sagte Sally. »Nach Hause.«
    »Nach Chinatown?« fragte Buddwing und bückte sich, um einen Blick in den Wagen zu werfen.
    »Ja«, erwiderte Sally.
    »Was denn – da wollten wir auch gerade hin«, sagte Jesse. »Wollten wir, Sam?«
    »Klar doch«, erwiderte Buddwing und warf der Jüngeren ein Lächeln zu, wie um anzudeuten, daß sie in Wirklichkeit zwar nicht dorthin wollten, Chinatown aber immerhin zu ihrem Ziel machen konnten, wenn sie nichts dagegen hätte. Und wie es schien, verstand das Mädchen, denn es drehte sich zu seiner Freundin um – Buddwing vermutete, daß es seine Freundin war, es hätte ebensogut seine Schwester oder Cousine oder Tante sein können – und sagte: »Wollen wir sie nicht mitnehmen, Sally? Schließlich haben sie uns den Wagen in Gang gebracht.«
    »Von mir aus«, sagte Sally schnell, »aber steigt bitte ein, bevor das Getöse wieder anfängt.«
    Die schießwütigen Fahrer hinter dem Wagen begannen, wie durch Sallys Prophezeiung ermutigt, von neuem wütend auf die Hupenknöpfe zu drücken. Jesse ignorierte sie, stieg aus und sagte: »Wollt ihr beide nicht hinten einsteigen, damit Sally und ich vorn sitzen können?«
    »Gut,

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