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Schock

Titel: Schock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hunter Evan
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gut«, sagte Sally und rutschte wieder auf den Fahrersitz, aber Jesse sagte: »Wenn es recht ist, fahre ich«, und sie sagte: »gut, gut«, und rutschte wieder auf den Sitz, den das jüngere Mädchen inzwischen freigemacht hatte. Gleichzeitig versuchte die Jüngere, von ihrer Wagenseite aus in den hinteren Sitz zu klettern, Buddwing versuchte es von seiner Seite aus, und da sie gleichzeitig die Lehnen der Vordersitze nach vorn klappten, mißlang es beiden, sich hineinzuzwängen. Inzwischen begannen die Lastwagenfahrer die Geduld zu verlieren, die Tür eines der Laster öffnete sich, und ein Riesenkerl mit einem Bleistift im Mützenaufschlag und kariertem Hemd näherte sich dem Volkswagen. Als er kam, ließ Buddwing dem jüngeren Mädchen den Vortritt in den Rücksitz des Wagens, und rutschte dann, nahezu fallend, neben ihr auf das Polster. Auch Jesse stieg ein und sagte grinsend: »Sitzt ihr alle bequem?«
    »Was zum Teufel ist hier eigentlich los?« dröhnte der Lastwagenfahrer. »Ist das eine chinesische Neujahrsfeier oder was?«
    »Nun halten Sie schon die Luft an«, sagte Sally und fügte noch eine passende chinesische Redensart hinzu. Jesse gab Gas, überfuhr das rote Licht an der Straßenecke, winkte dem verblüfften Polizisten zu und bog nach links in die Sixth Avenue ein.
    »Das ist aber die falsche Richtung«, sagte Sally.
    »Ich weiß. Dies ist eine Einbahnstraße.«
    »Ahnen Sie überhaupt, wo Chinatown liegt?« fragte sie.
    »Klar«, sagte Jesse. »Ganz in der Nähe der Golden Gate Bridge.«
    »Sie sind in der falschen Stadt, Seemann«, sagte Sally. Dann drehte sie sich zum Rücksitz um, kicherte, und Buddwing, der in ihrem Mund einen Goldzahn blinken sah, wußte mit Sicherheit, daß er in Yokohama war. Sie hatten dort einen Straßenbahnwagen entführt – nun, nicht direkt entführt, einfach requiriert, den Fahrer zur Seite geschoben und seinen Platz am Fahrhebel eingenommen, während die Fahrgäste ringsum hinter ihren Maskengesichtern lachten und hassten. Irgendwie erinnerte ihn diese Fahrt im Volkswagen an jene wilde Straßenbahnfahrt; Jesse bog an der nächsten Ecke wiederum links ab, sie kamen auf die Seventh Avenue und fädelten sich in den Verkehr ein, der südwärts ins Herz der Bekleidungsindustrie führte – Boten, die sogar am Samstag ihre Kleiderkarren schoben, portorikanische Näherinnen auf dem eiligen Rückweg von der Essenspause, selbst am Samstag, Mannequins in engen, kurzen Röcken, Mengen, die sich durch die Eingänge von Macy's Kaufhaus drängten, die imposante, gewaltige Masse der Pennsylvania Station, dann die relative Ruhe der unbelebten Straßen zwischen der Einunddreißigsten und der Vierzehnten, Fenster, in denen sich die Nachmittagssonne spiegelte, die langen japanischen Nachmittage, der Duft nach Fisch und Blumen, das leise Schlappen von Sandalen auf dem Steinpflaster der Straßen.
    Sie waren von Sasebo mit dem Zug herübergekommen, Jesse und er. Schon bevor sie einstiegen, waren sie betrunken gewesen, in der Kantine hatten sie sich mit japanischem Bier voll getankt und waren dann zum Bahnhof getorkelt. Während der ganzen Fahrt nach Yokohama hatten sie gesungen: »Pardon me , boy , is this the Yokohama choochoo ? Track ee-chee -nee, we've got to be back by three !« Der Text war ihnen unterwegs eingefallen, als sie verblüfften Japanerinnen ihre Plätze anboten, torkelnd, kichernd, in einer Sprache nach Worten suchend, die so fremd war wie die Landschaft – » we can afford to board the Yokohama choochoo ; got yen to spare, well have an oh-hei-oh there «. Am Bahndamm standen knospende Kirschbäume, rosa, weiß und rot öffneten sich die Blüten vor den rollenden grünen Hügelterrassen im Hintergrund, während der Zug, eine Art Kleinbahn, stampfend über die Geleise ratterte; durch die offenen Wagenfenster wehte Kohlenqualm herein und beschmutzte ihr weißes Sommerzeug. Der Buddha saß in unermesslichem Glanz Meilen von der Bahnstrecke entfernt, und doch, wie es schien, nahe genug, um ihn zu berühren, er beherrschte den Hügelhang und die ganze Landschaft, ein gigantisches Steinidol, blicklos sehend, während der Zug vorüberratterte und sie das Lied sangen, das sie mit einer vertrauten Welt verband.
    In Yokohama tranken sie noch mehr japanisches Bier in einem japanischen Tanzlokal und tanzten mit dreißigjährigen Hostessen in westlicher Kleidung – einfachen Baumwollkleidern, wie sie in den Staaten von Zwölfjährigen getragen werden. Und dann requirierten sie den

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