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Schockgefroren

Schockgefroren

Titel: Schockgefroren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Buzmann
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fassen, dass da nichts ist, wo ich doch etwas gesehen habe. Jetzt wird mir klar, weshalb keiner den Wohnwagen beachtet oder mein Schreien. Weil niemand da ist. Meine Enttäuschung ist so groß, dass ich zu weinen beginne. Eben noch wollte ich jubeln, jetzt weine ich. Adam G. versteht gar nichts mehr.
    »Jetzt hast du deinen Willen und heulst«, schüttelt er den Kopf. Er packt mich am Arm, zerrt mich zurück in den Wohnwagen. Er will nicht, dass jemand mein Heulen hört, auch wenn da keine Treppe ist und keine Menschen, die es bemerken könnten. Im Wohnwagen hat er es auf einmal wieder ganz eilig, dass ich seinen Pimmel in die Hand nehme. In den Mund. In den Po. Die ganze Zeit will er wissen, ob mir das gefällt. Bisher war das nicht wesentlich, auf einmal scheint es das Wichtigste der Welt zu sein.
    »Es gefällt dir doch, wenn ich das mit dir mache?«, fragt er immer und immer wieder.
    Da muss ich an Gott denken. Weil es mir nicht gefällt, was Adam G. mit mir tut, und Gott das weiß. Weil es mir wehtut, und das weiß Gott auch. Weil es eklig ist, vor allem das weiße Zeugs aus dem Pimmel, das so stinkt. Auch davon weiß Gott.
    »Egal, was du tust«, hat meine große Schwester Petra gesagt, »Gott sieht es. Gott weiß es. Ihm kannst du nichts vormachen.«
    Ich will ihm auch nichts vormachen. Ich will ihm vor allem nicht vormachen, dass es mir gefällt. Aber ich verstehe nicht, wie Gott das zulassen kann. Wenn es stimmt, was Petra sagt, weiß Gott schließlich auch, was Adam G. tut. Auch Adam G. kann Gott nichts vormachen. Vor allem kann er ihm nicht vormachen, dass er all diese Dinge mit mir anstellt und auch noch will, dass es mir gefällt.
    Denn das wäre eine Lüge, und ganz sicher will Gott keine Lügen hören.
    Also kann ich es nicht sagen.
    Ich kann das auf gar keinen Fall.
    Adam G. umklammert mich von hinten und versucht, seinen Pimmel in mich reinzudrücken.
    »Es gefällt dir doch, oder?«, keucht er.
    Gerade will ich schreien, so laut wie nie zuvor in meinem Leben, NEIN! ES GEFÄLLT MIR NICHT! HÖR AUF, DU FURCHTBARER DRECKIGER KERL, als er auf einmal wieder da ist: Der Engel ist zurückgekehrt. Er braucht keinen Spalt in der Wand und keine Ritze unter der Tür, er schafft es auch so herein. Er ist so hell, so unglaublich hell, trotzdem muss ich die Augen nicht zusammenkneifen. Seine Stimme ist in meinem Kopf.
    »Bist du wirklich?«, frage ich. »Oder bist du wie die Treppe?«
    »Ich bin wirklich. Und ich bin da, um dir etwas zu sagen«, antwortet die Stimme. »Du darfst lügen. Du sollst lügen. Es ist in Ordnung.«
    Im selben Moment, als hätte ich nur auf eine Erlaubnis gewartet, sage ich: »Ja, Adi. Es gefällt mir. Es gefällt mir sogar sehr.«
    Adam G. hat seine Arme um mich geschlungen, seine Hände krallen sich in meine Brust. Sein Körper bewegt sich hin und her und bereitet mir Schmerzen. Doch jetzt hält er still. Dann drückt er mich weg. Ich höre ihn schwer atmen. Plötzlich fragt er: »Was hast du gesagt? Es gefällt dir?«
    Im Wohnwagen wird es dunkel. Der Engel geht, wie er gekommen ist, Adam G. hat ihn nicht gesehen. Nur Kinder sehen ihn, wie im Weihnachtslied, das Mama mir beigebracht hat. Ich drücke mein Gesicht in die Matratze, weil ich mich unfassbar einsam fühle. Meine Stimme ist kaum zu hören, als ich murmle: »Ja, Adi. Es ist schön.«
    Warum sage ich das? Warum lüge ich? Warum tue ich, was der Engel wollte, wo ich doch nicht einmal weiß, ob er echt ist. Jetzt, wo er weg ist, habe ich wieder größten Zweifel. Was passiert, wenn Adam G. jetzt noch viel lieber all die schlimmen Dinge mit mir anstellt? Weil er weiß, dass ich Gefallen daran finde? O Gott, warum muss ich das alles aushalten?
    Doch nichts passiert. Adam G. steht auf. Steht auf, rumort herum, murmelt etwas in seinen Bart, das ich nicht verstehe. Ich rechne damit, dass er gleich wieder ins Bett kommt, um zu Ende zu bringen, was er begonnen hat. Aber das tut er nicht. Ich höre die Wohnwagentür klappern, und als ich aufschaue, bin ich allein.
    Das erste Mal, seit ich gefangen bin.

Ich habe mir vorgenommen, mich am eigenen Schopf aus dem Sumpf zu ziehen, und das tue ich auch. Ich habe so viel Zeit vertrödelt, doch jetzt gebe ich Gas. Es soll mir gelingen, bis zum Abitur und während meiner Ausbildung eineinhalb Jahre aufzuholen. Nicht schlecht für einen, dem das Wasser Oberkante Unterlippe stand. Auf der neuen Schule interessiere ich mich sogar für Integralrechnen, Kontinentalplattenverschiebungen und

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