Schockstarre
schob nachdenklich ihre Tasse weg.
»Irmela?«
»Aber ja!« Gruschka küsste sie noch einmal. »Das machen wir wieder öfter, kleine gemeinsame Kaffeepausen am Vormittag, versprochen?« Er winkte zum Abschied und ging davon. Seine Frau sah ihm lange nach.
13. Drohungen
Katinka knallte die Autotür zu. Schneeflocken tanzten vom Himmel. Schneewalzer, dachte Katinka und drehte den Zündschlüssel.
Das Handy. Immer klingelte das Handy einen Tick zu spät. Sie ließ den Motor laufen, drehte die Heizung hoch und meldete sich.
»Frau Palfy, hier spricht Schilling. Ich würde Sie gern sprechen.«
Katinkas Herz begann ein rasendes Percussionsolo. Furioso.
»Sicher. Heute gegen … 14 Uhr?« Sie hatte noch was anderes vor.
»Nein. Sofort. Ich erwarte Sie in einer halben Stunde.« Furiosissimo.
»Gibt es was Neues von …?«
»Wir können alles klären, wenn Sie hier sind. Bis gleich, Frau Palfy.«
Er legte auf. Katinka drückte den roten Knopf und warf das Handy auf den Beifahrersitz.
Schilling saß in seinem Büro, eine dampfende Tasse Cappuccino neben sich, und betrachtete seine Finger, als seien sie äußerst interessante Spurenträger bei einer wichtigen Beweisaufnahme.
»Ah, da sind Sie ja.«
»Guten Morgen«, sagte Katinka schwungvoll. »Worum geht’s?«
Schilling trennte sich vom Anblick seiner Finger und fummelte in seinen Schubladen herum. Er förderte erst ein Handy, dann einen Speicherstick zutage. Beides kannte Katinka ziemlich gut.
»Würden Sie mir das freundlicherweise erklären?«, fragte er, setzte die Lesebrille auf und betrachtete das Handy, als sei es eben erst aus einem Saurierei geschlüpft.
Katinka hatte damit gerechnet, dass es Ärger geben würde, aber Ärger war sie gewohnt, den konnte sie geregelt kriegen. Schillings Blick sandte jedoch eine deutliche Sturmwarnung aus, als er sie jetzt über die schmalen Gläser seiner Brille hinweg quasi harpunierte.
»Ich habe gestern mit Thurid Maas gesprochen«, begann Katinka. Ein Warnschild mit der Aufschritt ruhig bleiben, Stimme senken blinkte in ihrem Kopf auf. »Sie brach in Tränen aus und brauchte ein paar Minuten für sich. In der Zeit entdeckte ich an Thurids Laptop diesen Speicherstick und hinter dem Heizkörper in ihrem Büro das Handy. Ich nahm an«, sie holte Luft und sprach langsamer weiter, »dass beides Mendel gehörte und dass Sie und Ihre Kollegen die Sachen bei der Durchsuchung der Büroräume nicht gefunden hatten. Also fühlte ich mich in der Pflicht –«
Schilling riss die Brille von seiner Nase und schleuderte sie auf den Tisch:
»Was ist das denn für eine abartige Geschichte!«
Katinka kannte Hauptkommissar Uttenreuthers Ausbrüche. Der schrie zwar nicht, aber seine Kritik kam, gelinde gesagt, durchaus ausdrucksstark rüber.
»Die Wahrheit ist eben manchmal abartig«, sagte sie.
»Eines vorweg«, fing sich Schilling und schraubte seinen Ton auf Zimmerlautstärke. »Haben Sie Mendel erschossen?«
»Nein. Haben Sie den letzten Anruf gecheckt, der von Mendels Handy abging? Er hat Thurid …«
»Frau Palfy, halten Sie an sich. Sie sagen aus, erstens, Ihre Waffe sei entwendet worden, nachdem Sie angeblich mit K.o.-Tropfen ausgeknockt wurden. Zweitens, Sie behaupten, einen Auftrag von einer Klientin erhalten zu haben, einen gewissen Pawlowicz zu beschatten, können aber weder Adresse noch Telefonnummer der Frau angeben. Ihre Aussage können wir also nicht überprüfen.«
Er holte Luft, nahm aus der Tasse einen Schluck Cappuccino. Fasziniert beobachtete Katinka das Fetzchen Milchschaum, das in seinem Mundwinkel hängen blieb und zu wackeln begann, als er weiterredete.
»Drittens: Für die Tatzeit haben Sie kein Alibi. Viertens.« Er schnaufte, blieb stecken, leckte sich über die Lippen, die Milchschaumflocke klebte immer noch in seinem Mundwinkel. »Viertens: Sie befragen unbefugt Beteiligte, Sie«, das weiße Fetzchen löste sich sachte aus seinem Gesicht und taumelte weich wie Schnee in Richtung Schreibtisch, »mischen sich in die Ermittlungsarbeit ein.«
»Es gibt Zeugen, die mich mit Pawlowicz in der Kneipe gesehen haben«, sagte Katinka. »Folgende Personen können das bestätigen: Susanna Heinze und Tonio Albert, der an dem Abend im Rio-Club arbeitete. Als Alibi kann ich meinen Freund Tom Thiele nennen.«
»Ha!«, machte Schilling, klappte die Bügel seiner Brille ein und aus, ein und aus. »Sie wissen so gut wie ich, dass das nichts taugt, gar nichts.«
»Nachts schlafen die Ratten«, gab Katinka
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