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Schockstarre

Schockstarre

Titel: Schockstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
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sich drohend.
    »Palfy! Was fabrizieren Sie da!«
    »Ich bin«, versuchte es Katinka noch einmal, »in Lehmanns Karpfenteich.« In Panik ließ sie das Handy fallen, robbte zu dem winzigen Duschraum hinüber, klappte den Klodeckel auf und spuckte Reste von grüner Galle in die Schüssel. Vor Anstrengung traten ihr die Augen aus den Höhlen. Nach Luft japsend sank sie zu Boden.
     
    Sie wachte auf, weil ihr Körper bebte und vibrierte, als sei er unter Strom gesetzt worden. Unfreundlich entließen ihre wirren Träume sie in die Wirklichkeit einer eiskalten Holzhütte. Immer noch jagten bunte Vierecke über ihre Netzhaut, aber die Technicolorfarben verblassten ein wenig. Draußen heulte der Wind. Sie setzte sich auf, den Mantel um sich gewickelt, hielt sich den Kopf und befühlte zum ersten Mal jene Stelle, die ihr Angreifer gezielt getroffen und beinahe zu Brei geschlagen hatte. Die beiden knochigen Höcker an ihrem Hinterkopf fühlten sich nicht viel anders an als sonst. Vielleicht irgendwie unförmiger. Schon die winzigste Berührung rief gleißenden Schmerz auf den Plan.
    Katinka kroch zum Ofen. Sie fand Zeitungspapier, kleine Zweige, Holzscheite. Es fehlte das Feuerzeug. Einst hatte sie geraucht und eines bei sich gehabt. Verfluchter Gesundheitsfanatismus, dachte sie, suchte weiter, entdeckte eine Streichholzschachtel. Sie baute Papier und Holz im Ofen auf, riss ein Streichholz an. Das Papier loderte auf, das Reisig fing Feuer, schließlich die Scheite. Erleichtert kuschelte Katinka sich vor dem Ofen auf dem Boden in ihren Mantel. Sie musste etwas trinken. Ihr Mund war ausgedörrt, die Zunge geschwollen. Der Geschmack von Erbrochenem quälte sie. Von ihrem Platz auf dem Boden aus fiel ihr Blick auf Lehmanns Hausrat. Sie würde Wasser aus dem Bad holen, den Topf hier auf den Ofen stellen, warten, bis das Wasser kochte, und dann einen Tee trinken. Ka-tinka hasste Tee, aber ihr Magen würde nichts anderes annehmen, vor allem nichts Kaltes.
    Sie teilte sich die Aufgaben ein. Zuerst robbte sie zu dem Regal und nahm sich einen Topf heraus. Dann bewegte sie sich halb auf ihren Füßen, halb auf Knien ins Bad und zog sich an der Duschwand hoch. Ein Waschbecken gab es nicht. Vorsichtig stellte sie den Wasserhahn an, passte auf, nicht nass zu werden, und füllte den Topf. Gegen die Kloschüssel gelehnt wartete sie eine Weile und lauschte auf das Prasseln des Feuers. Dann holte sie tief Atem und schaffte es zurück bis zum Ofen. Sie stellte den Topf oben drauf und sah zu, wie sich winzige Bläschen bildeten, größer wurden, bis das Wasser sprudelte.
    Sie angelte sich eine Teeschachtel, zog einen Beutel heraus, warf ihn in die Teekanne. Sie musste aufstehen, um das sprudelnde Wasser in die Kanne zu gießen. Schwankend streckte sie die Hände nach dem Topf aus. Bekam Angst, sich zu verbrühen, ihre Arme zitterten vor Schwäche. Goss die Kanne voll. Stellte den Wassertopf weg und sah zu, wie der Tee dunkler und dunkler wurde. Sie schenkte sich eine Tasse ein und trank ganz langsam, in kleinen Schlucken, damit ihr nicht wieder schlecht wurde.
    Ihre Augen brannten. Katinka hielt ihre Lider auseinander und entfernte die Kontaktlinsen. Sie kramte die Aufbewahrungsdöschen aus dem Rucksack und tunkte die Linsen in die Flüssigkeit. Das verzerrte Bild, das sich ihr nun bot, irritierte sie. Sie rieb sich die Augen. Dabei gerieten die Vierecke in Wallung. Sie verschwammen mehr und mehr, wurden zu bauchigen, verwachsenen Formen.
    Katinka setzte sich aufs Sofa, zog die Stiefel aus und kroch in einen von Lehmanns Schlafsäcken. Er roch nach Fisch. Zum ersten Mal stellte sie die Frage, die zwischen all den verblassenden, verschwimmenden Vierecken auf sie zugetrieben kam: Wer?
    Sie musste sich bei Tom melden. Fand das Handy nach einigem Suchen und Tasten über den Boden. Sie wählte seine Nummer. Nichts. Mailbox. Sie fühlte Angst herankriechen. Draußen lag Schnee. Er war unterwegs. In Hof, ausgerechnet, dem Kühlschrank Bayerns. Sie hinterließ keine Nachricht, zu müde zum Sprechen.
    Aus den Augenwinkel beobachtete sie, wie das Feuer die Holzscheite verzehrte. Sie musste nachlegen, kroch im Schlafsack über den Boden, schob ein paar Scheite in den Ofen. Kroch zurück. Legte sich wieder hin, zog noch zwei Decken über sich und schlief sofort ein.
     
     
    Donnerstag, 13. 1. 2005, 0:02 Uhr
     
    Das Feuer war heruntergebrannt. Ein Hauch von Wärme hing noch in der Hütte, als Katinka aufwachte. Das Pulsieren in ihrem Kopf hatte sie geweckt,

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