Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Schockstarre

Schockstarre

Titel: Schockstarre Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Schmöe
Vom Netzwerk:
Sybille … Bloß …«
    Sein Atem ging schwer, eine warme, sanfte Abendbrise in ihren Haarsträhnen. Dann nahm er ihr Gesicht in beide Hände und küsste sie. Zuerst die Augen, ganz zärtlich, dann die Augenbrauen, die Nase, die Wangenknochen, unendlich behutsam die Lippen. Sie wollte seinen Namen flüstern. Ihr war schwindelig, vor Verwirrung, vor Kopfschmerzen, vor Müdigkeit. Um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, klammerte sie sich an seinem Hemd fest. Rieb ihre Wange an seinen Bartstoppeln. Das Beste an den Männern sind ihre Bartstoppeln, dachte Katinka. Ich wette, Männer haben sie nur, damit wir unsere Wangen dran kratzen können.
    Schweiß kroch über ihre Haut. Sie suchte seine Lippen und küsste ihn. Er schmeckte nach Bier. Entsetzt fragte sie sich, wonach sie selbst schmeckte, und wollte sich zurückziehen, aber er ließ sie nicht. Seine große warme Hand hielt ihren Nacken fest umfasst.
    Das geht nicht gut, dachte Katinka. Das hatten wir schon mal. Ein Kuss in einer aufregenden, gefährlichen Nacht, als ganz Bamberg Gefahr lief, von einem gerissenen Mörder vernichtet zu werden. Ein Kuss. Aber nur einer. Kurz, salzig, hart.
    Jetzt ließ er nicht locker. Seine Zunge umspielte ihre Lippen, krabbelte über ihr Kinn und schlich ihren Hals hinunter. Er schob ihren Pullover ein Stück beiseite und küsste die weiße Haut darunter. Packte Katinka dann bei den Schultern und hielt sie ein Stück weg.
    »Ich weiß nicht, was …«, stammelte er. Er riss die Tür auf und trat in den Sturm hinaus.
    »Hardo«, rief Katinka. Sie taumelte, tastete sich an der Wand zur Tür und ging ihm nach. Der eisige Wind kühlte sie sofort aus. Ihr Körper wehrte sich gegen die frostklirrenden Böen.
    »Hardo?«, rief sie, doch der Wind riss ihr das Wort weg und zerfetzte es im Weiterwehen.
    Sie ging ein paar Schritte. Er stand neben ihrem Auto und starrte auf den Boden. Der Schnee reichte ihm fast bis zu den Knien. Katinka sah ihn unscharf, verwaschen ohne die Kontaktlinsen. Plötzlich bekam sie Angst, sie würde ihn aus den Augen verlieren. Ein Schrei entfuhr ihr. Er drehte sich um.
    »Sie sollen hier nicht herumstehen«, sagte er, stapfte auf sie zu, packte sie an den Armen und dirigierte sie vor sich her zur Hütte.
    »Schnell. Rein mit Ihnen.«
    Zitternd vor Kälte sah Katinka zu, wie er die Tür schloss. Er blickte sich suchend um und schob dann das Schränkchen davor, in dem er die Schmerztabletten gefunden hatte.
    »Was ist los?«, fragte Katinka. Hardo ging zum Ofen und legte Holz nach. Er bückte sich nicht, sondern ging in die Knie. Rückenfreundlich macht er das, dachte Ka-tinka. Sie schlang die Arme um sich und sah ihm zu.
    »Was ist?«, fragte sie nochmal, als er aufstand und auf sie zukam.
    Er nahm eine Decke vom Sofa und legte sie ihr um die Schultern.
    »Mädchen«, sagte er, seine Stimme brüchig vor Zärtlichkeit. »Ich begehe eine Dummheit nach der anderen.«
    Katinka starrte ihn verständnislos an. Er wischte ihr die schmelzenden Schneeflocken aus dem Haar und sagte:
    »Da draußen sind Spuren im Schnee. Fußspuren. Noch gut zu sehen. Vor ein paar Minuten ist jemand um die Hütte geschlichen.«
    Katinka schloss die Augen. Immer noch kamen Vierecke auf sie zugeschossen, aber farblos und hell, sehr hell.
    »Wer?«, fragte sie und ließ sich auf das Sofa sinken.
    Hardo zuckte die Achseln. Er zog den Tisch heran, nahm seine Dienstwaffe aus dem Holster, lud sie und legte sie vor sich ab. Setzte sich neben Katinka.
    »Wir müssen abwarten«, sagte er.
    »Warum laufen Sie immer weg?«
    »Ich laufe nicht weg.«
    Katinka verdrehte die Augen.
    »Was war das sonst?«
    Er wandte sich ihr zu.
    »Sind Sie im Kloster großgeworden?« Seine grauen Augen glänzten wie ein sonnenbeschienener Gletscher. »Sie sind nicht zu haben. In festen Händen, wie man sagt.«
    Katinka nagte an ihrer Unterlippe. Ich sollte hier nicht sitzen, dachte sie. Nicht mit Hardo, nicht in dieser Schneenacht. Es bestand nur dieses absonderliche Problem, dass sie gerne hier saß. Trotz der Schmerzen. Der Angst. Der Verwirrung.
    Hardo sah sie mit einem Ausdruck vollkommener Verzweiflung an.
    »Bitte«, murmelte er. »Fragen Sie mich nicht, wieso die Welt ist, wie sie ist. Ich weiß das nicht.«
    Katinka starrte eine Weile ins Leere. Da war Tom, den sie liebte. Immer. Nicht nur, wenn die Situation es heraufbeschwor. Tom. Wo steckte Tom. Sie holte tief Luft und sagte:
    »Tom wollte nach Hof. Wegen eines Auftrags. Er hat sich nicht mehr gemeldet.«
    »Es

Weitere Kostenlose Bücher