Schockwelle
lassen.
Unaufhörlich ergossen sich die Wassermassen über sie, so daß sie hustend und keuchend um Atem rangen, bis das Boot von der nächsten Welle erfaßt und auf den Kamm gerissen wurde.
Sie brauchten nicht zu schöpfen, da sie das Gewicht des Wassers im Innenraum vor dem Kentern bewahrte. Aber sie hatten alle Hände voll zu tun: im einen Moment mußten sie sich mit aller Macht festklammern, damit sie nicht über die Schwimmkörper getrieben wurden, im nächsten galt es, sich für die wilde Fahrt hinab ins Wellental zu wappnen, um nicht in die Luft geschleudert zu werden.
Pitt und Giordino hatten Maeve in die Mitte genommen und jeweils einen Arm schützend um sie geschlungen, während sie sich mit der anderen Hand festhielten und die Füße an der Bootswand abstützten. Jedem von ihnen war klar, daß es keine Rettung gab, wenn einer über Bord geschleudert wurde. Sie würden ihn rasch aus den Augen verlieren, denn durch den Regen hatten sie nur wenige Meter Sicht, und in dieser aufgewühlten See konnte kein Mensch lange überleben.
Als ein heller Blitz über den Himmel zuckte, warf Pitt einen kurzen Blick auf Maeve. Sie sah aus, als wäre sie felsenfest überzeugt, daß man sie der Hölle überantwortet habe und eine der ersten Höllenqualen die Seekrankheit sei. Pitt wünschte, er könnte er ihr ein paar tröstende Worte sagen, doch bei dem heulenden Wind hätte sie ihn nie und nimmer gehört. Er verfluchte Dorsett und seine ganze Sippschaft. Herrgott, wie schrecklich mußte es für sie sein, einen Vater und zwei Schwestern zu haben, die sie so sehr haßten, daß sie ihre Kinder geraubt hatten und sie selbst ermorden wollten, nur weil sie tüchtig und anständig war und mit ihren kriminellen Machenschaften nichts zu tun haben wollte. Es war grauenhaft, ein entsetzliches Unrecht. Sie darf nicht sterben, sagte er sich, nicht, solange ich noch am Leben bin. Er ergriff ihre Schulter und drückte zärtlich zu. Dann drehte er sich zu Giordino um.
Giordino verzog keine Miene. Die scheinbare Gelassenheit, mit der er diese Hölle ertrug, beruhigte Pitt. Komme, was da kommen mag, besagte sein Blick. Dieser Mann hatte ein geradezu grenzenloses Durchhaltevermögen. Pitt wußte, daß Giordino schier unfaßbare Widerstandskraft aufbieten konnte, daß er eher das Bewußtsein verlieren und sterben würde, als Maeve und das Boot preiszugeben. Niemals würde er vor der See kapitulieren.
Wie durch Gedankenübertragung blickte Giordino auf, um festzustellen, wie es Pitt erging. Es gibt Männer, dachte er, die stehen Todesängste aus, wenn sie den Teufel sehen, der ihre arme Seele holen will. Andere wieder fallen der Hoffnungslosigkeit anheim und blicken untertänig zu ihm auf, damit er sie vom Elend dieser Welt erlöse. Pitt gehörte nicht zu ihnen. Er konnte dem Teufel ins Augen sehen und ihm ins Gesicht spucken.
Der Mann, mit dem Giordino seit dreißig Jahren befreundet war, sah aus, als könnte es von ihm aus ewig so weitergehen.
Giordino wunderte sich nicht mehr über Pitts innere Stärke und Kraft, die er in brenzligen Situationen zeigte. Bei Not und Gefahr schien Pitt förmlich aufzublühen. Er schien die mit voller Wucht anbrandenden Wellen gar nicht wahrzunehmen, wirkte keineswegs so, als warte er auf das Ende oder habe das Gefühl, er sei der tobenden See hilflos ausgeliefert. Seltsam abgeklärt, geradezu geistesabwesend, blickte er in die Regenwand und die Gischt, die ihm ins Gesicht klatschte, fast so, als säße er am heimischen Herd hoch oben in seiner Wohnung über dem Flugzeughangar. Im Wasser, so hatte Giordino schon wiederholt festgestellt, wenn sie im oder auf dem Meer gewesen waren, war Pitt absolut in seinem Element.
Die Dunkelheit brach herein. Es begann eine qualvolle, nicht enden wollende Nacht. Sie waren bis auf die Haut durchnäßt und wie betäubt von dem eisigen Wasser. Wie tausend Messerstiche bohrte sich die Kälte in ihr Fleisch.
Die Morgendämmerung kam und erlöste sie von dem schrecklichen Gefühl, immer nur das Donnern der Wogen zu hören, ohne sie sehen zu können. Als die Sonne trüb hinter den wilden Wolkenfetzen am Himmel aufging, klammerten sie sich noch mit allerletzter Kraft ans Leben. Sie sehnten den Tag herbei, doch als er endlich anbrach, fiel lediglich ein eigenartiges graues Licht auf die schreckliche See, so daß sie aussah wie in einem alten Schwarzweißfilm.
Trotz der tobenden Elemente war die Luft heiß und drückend, salzgeschwängert und so dick, daß man sie kaum atmen
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