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Schockwelle

Schockwelle

Titel: Schockwelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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verlorenen Seelen auf der
Gladiator

    »Und Winkleman blieb auch dort?«
    Scaggs nickte. »Er zog sich in eine Höhle im Berg an der Nordspitze der Insel zurück und lebte fortan allein.«
    Carlisle saß schweigend da und dachte über die Geschichte nach, die Scaggs erzählt hatte. »Und du hast die ganzen Jahre ihr Geheimnis gewahrt.«
    »Wenn ich mein Schweigegelübde gebrochen hätte, so fand ich später heraus, hätte dieser vermaledeite Gouverneur von Neusüdwales ein Schiff losgeschickt, um ihrer habhaft zu werden. Er war dafür bekannt, daß er Himmel und Hölle in Bewegung setzte, wenn es galt, entsprungene Sträflinge einzufangen.« Scaggs drehte den Kopf etwas zur Seite und starrte durch das Fenster auf die Schiffe im Hafen. »Nach meiner Heimkehr gab es für mich keinerlei Anlaß, die Geschichte vom Floß der
Gladiator
zu erzählen.«
    »Und du hast sie nie wiedergesehen, nachdem du mit Cochran gen Sydney aufgebrochen bist?«
    Scaggs schüttelte den Kopf. »Ein schmerzlicher Abschied war das. Betsy und Jess standen mit den beiden kleinen Jungs und Marions Tochter am Strand und sahen aus wie der Inbegriff einer glücklichen Familie. Sie hatten ein Leben gefunden, das sie in der zivilisierten Welt nicht hätten führen können.« Er spie das Wort »zivilisiert« geradezu aus.
    »Und Cochran? Was hat ihn daran gehindert zu plaudern?«
    Scaggs’ Augen leuchteten kurz auf. »Wie schon erwähnt, hatte auch er ein kleines Geheimnis, das nicht bekanntwerden durfte, wenn er jemals wieder zur See fahren wollte. Er versank seinerzeit mit der
Zanzibar
, als sie 1867 im Südchinesischen Meer verlorenging.«
    »Hast du dich je gefragt, was aus ihnen geworden ist?«
    »Dazu bestand kein Anlaß«, erwiderte Scaggs verschmitzt.
    »Ich weiß es.«
    Carlisle hob die Augenbrauen. »Da hätte ich jetzt gern eine Erklärung.«
    »Vier Jahre nach meiner Abfahrt sichtete ein amerikanischer Walfänger die Insel und lief sie an, um seine Wasserfässer aufzufüllen. Jess und Betsy begegneten der Besatzung und tauschten Früchte und frischen Fisch gegen Kleidung und Kochtöpfe ein. Sie erzählten dem Kapitän des Walfängers, sie seien Missionare und nach einem Schiffbruch auf der Insel gestrandet. Binnen kurzem machten dort auch andere Walfänger Station, um ihre Nahrungs- und Wasservorräte zu ergänzen. Bei einem dieser Schiffe tauschte Betsy Hüte, die sie aus Palmwedeln geflochten hatte, gegen Saatgut ein, worauf sie und Jess mehrere Morgen fruchtbares Land bestellten und darauf Feldfrüchte anbauten.«
    »Woher weißt du das alles?«
    »Nach einiger Zeit gaben sie den Walfängern Briefe für mich mit.«
    »Leben sie noch?« fragte Carlisle mit neu erwachtem Interesse.
    Scaggs’ Blick trübte sich. »Jess kam vor sechs Jahren beim Fischen um. Ein jäher Sturm ließ sein Boot kentern. Betsy meinte, er habe sich allem Anschein nach den Kopf angeschlagen und sei ertrunken. Ihr letzter Brief, dem sie ein Päckchen beigelegt hatte, traf vor zwei Tagen ein. Du findest ihn in der mittleren Schublade meines Schreibtisches. Sie schrieb, daß sie an irgendeiner Magenerkrankung sterbe.«
    Carlisle erhob sich und ging zu dem abgenutzten Kapitänsschreibtisch, der Scaggs seit dem Untergang der
Gladiator
auf allen Fahrten begleitet hatte. Er holte ein kleines, in Öltuch eingeschlagenes Päckchen aus der Schublade und öffnete es. Darin befanden sich ein Lederbeutel und ein zusammengefalteter Brief. Er kehrte zu seinem Sessel zurück, setzte die Lesebrille auf und warf einen kurzen Blick auf den Text.
    »Für eine Frau, die wegen Diebstahls verurteilt wurde, kann sie sehr gut schreiben.«
    »Ihre früheren Briefe waren voller Fehler, aber Jess war ein gebildeter Mann, und unter seiner Anleitung hat sich Betsys Rechtschreibung deutlich gebessert.«
    Carlisle las laut vor.
    Mein lieber Käpt’n Scaggs!
    Ich hoffe, Ihr seid bei bester Gesundheit. Dies wird mein letzter Brief an Euch sein, da ich ein schlimmes Magenleiden habe. Jedenfalls hat mir das der Doktor vom Walfangschiff
Amie & Jason
gesagt. Bald werde ich also bei meinem Jess sein.
    Ich habe ein letztes Anliegen, um dessen Erfüllung ich Euch bitte. In der ersten Aprilwoche dieses Jahres haben meine zwei Söhne und Marions Tochter Mary die Insel an Bord eines Walfängers verlassen, dessen Kapitän von hier aus nach Auckland fahren wollte, um dringende Reparaturen am Schiffskörper vornehmen zu lassen, nachdem er ein Korallenriff gestreift hat.
    Von dort aus wollen die Kinder per

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