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Schockwelle

Schockwelle

Titel: Schockwelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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den Witterungsbedingungen rund um den Südpol wußte sie, daß diese Küstenstürme von einem peitschenden Schneeregen begleitet wurden, der einem jegliche Sicht raubte. Heft ige Schneefälle waren nicht zu erwarten.
    Die Hauptgefahr stellte der eisige, alles durchdringende Wind dar.
    Maeve gab endgültig die Hoffnung auf, das Schiff in absehbarer Zeit wiederzusehen, und bereitete sich auf das Schlimmste vor. Jetzt galt es, eine Unterkunft zu finden, in der die Mitglieder ihrer Exkursionsgruppe die nächsten zehn Stunden ausharren konnten.
    In den Hütten der Walfänger, auch in der für die Nachwelt erhaltenen Museumsbaracke, waren sie den Elementen zu sehr ausgesetzt. Die Dächer waren längst eingesackt, die Fenster durch den ständigen Wind zerborsten, die Türen weggerissen.
    Wenn ihre Gruppe in der Höhle blieb, so befand sie schließlich, hatte sie eine größere Chance, die bittere Kälte und den mörderischen Wind zu überleben. Bei der Walfangstation hatte sie einen Stapel verwittertes Bauholz gesehen, das sich womöglich für ein Feuer verwenden ließe. Allerdings müßten sie es nahe am Höhleneingang abbrennen, denn weiter hinten war die Gefahr einer Rauchvergiftung zu groß.
    Vier der »jüngeren« Männer halfen ihr, die Leichen der beiden Frauen und des Bootsführers in die Museumsbaracke zu bringen.
    Außerdem zogen sie den Zodiac weiter an Land und vertäuten ihn, damit ihn der aufkommende Wind nicht landeinwärts davonblies.
    Danach türmten sie zum Schutz vor den eisigen Böen Steine am Höhleneingang auf, bis nur noch ein kleines Schlupfloch offen war.
    Den Felsblock wollte sie bewußt nicht vorwälzen, denn dann wären sie gänzlich von der Außenwelt abgeschlossen gewesen.
    Anschließend versammelte sie alle um sich und befahl ihnen, sich aneinanderzukuscheln und gegenseitig zu wärmen.
    Jetzt begann die endlose Zeit, in der sie nur tatenlos abwarten konnten, daß jemand kam und sie rettete. An Schlaf war nicht zu denken, obwohl sie es versuchten. Die lähmende Kälte drang allmählich durch die Kleidung, und der Wind draußen erhob sich zu einem ausgewachsenen Sturm, der unter gespenstischem Heulen durch das Luftloch in der Steinbarriere am Höhleneingang fegte.
    Nur ein, zwei Leute beklagten sich. Der Großteil ertrug diese Prüfung mit Gleichmut. Einige waren sogar regelrecht aufgekratzt, weil sie endlich ein echtes Abenteuer erlebten. Zwei Australier, stattliche Männer, die mit einer gemeinsam geführten Baufirma ein Vermögen verdient hatten, zogen ihre Frauen auf und rissen allerlei trockene Witze, um ihre Schicksalsgenossen bei Laune zu halten.
    Sie wirkten völlig ungerührt, als warteten sie lediglich darauf, daß ihr Flug aufgerufen werde. Prima Leute, diese älteren Herrschaften, dachte Maeve. Ein Jammer, nein, eine Sünde wäre es, wenn sie alle in diesem eisigen Höllenloch umkommen müßten.
    Sie ließ ihren Gedanken freien Lauf, hatte vage vor Augen, wie man sie unter Steinhaufen inmitten der norwegischen Forscher und Walfänger bestattete. Eine Wahnvorstellung, ermahnte sie sich. Ihr Vater und ihre Schwestern wünschten ihr zwar alles Schlechte, aber daß sie ihr ein anständiges Begräbnis in der Familiengruft versagten, in der ihre Ahnen ruhten, das mochte sie dann doch nicht glauben. Möglicherweise aber, und das wußte sie nur zu genau, betrachtete ihre Familie sie nicht mehr als ihr eigen Fleisch und Blut, nicht nach der Geburt ihrer Zwillinge.
    Sie lag da, betrachtete den Dunst, der sich durch die Atemluft der vielen Menschen in der Höhle bildete, und rief sich ihre Söhne vor Augen. Sechs Jahre waren sie jetzt alt, wurden von Freunden ge hütet, während sie auf Kreuzfahrt war und das nötige Kleingeld verdiente. Was sollte aus ihnen werden, wenn sie starb? Hoffentlich fielen sie niemals ihrem – Maeves – Vater in die Hände. Mitgefü hl kannte er nicht, und Menschenleben scherten ihn wenig. Nicht einmal auf Geld kam es ihm an. Für ihn war es lediglich das Mittel zum Zweck. Macht und Einfluß, das war seine ganze Leidenschaft. Ihre beiden Schwestern waren, was andere Menschen anging, ebenso gefühllos wie ihr Vater. Glücklicherweise war sie nach der Mutter ge raten, einer empfindsamen Frau, die von ihrem kalten und brutalen Mann in den Selbstmord getrieben worden war. Maeve war damals zwölf Jahre alt gewesen.
    Danach hatte sie sich nicht mehr als Mitglied der Familie betrachtet. Sie wiederum hatten ihr niemals vergeben, daß sie das gemachte Nest verlassen, sich

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