Schön scheußlich
mit dem Schnabel und tschilpt sanft. In vierzig Prozent der Fälle ergibt sich der Sohn - vielleicht mit einem unterdrückten Seufzer der Resignation - in die Niederlage und zieht wieder nach Hause zurück, um sich an der Aufzucht seiner Geschwister zu beteiligen. Das verlassene Weibchen bleibt in seinem Nest zurück, wo es ohne größere Aufgaben vor sich hin vegetiert, womöglich hat es sogar schon ein paar Eier gelegt. Doch ohne die Hilfe eines Männchens kann es die Jungen nicht aufziehen. Die Bienenesserstory bietet das spektakulärste Beispiel für das, was Dr. Steven T. Emlen von der Cornell University als »die dunkle Seite der Kooperation« bezeichnet: das Bestreben gewisser Angehöriger von Tierarten mit einem hoch entwickelten Sozialverhalten, ihren Verwandten ein Maß an Hilfe und Opferbereitschaft abzufordern, das weit über das Gebot der Pflicht hinausgeht.
Bei vielen Vogel-und einigen gesellig lebenden Säugetierarten wie Mungos und Wildhunden - Sozialverbänden, in denen Eltern, Großeltern, Tanten, Nichten und Schwiegereltern auf engstem Raum zusammenleben, brüten und fressen - sind viele Interaktionen, die auf den ersten Blick nach glücklicher Kooperation zwischen Verwandten aussehen, in Wirklichkeit subtile Formen der Ausbeutung.
Die jüngeren Verwandten sind bei diesem Geschäft aber nicht notwendigerweise totale Verlierer. Im Fall der Bienenesser trägt der Sohn, der seinen Eltern hilft, seine Brüder und Schwestern großzuziehen, indirekt dazu bei, einen Teil seines eigenen Erbes am Leben zu halten, hat er doch mit seinen Geschwistern eine Menge Gene gemeinsam. Trotzdem führe er, vom genetischen Standpunkt aus betrachtet, besser, wenn er seine eigenen Küken großziehen würde, und das würde er auch versuchen, wenn da nicht sein nörgelnder Alter wäre. Der Trick besteht also darin herauszufinden, welche sozialen und umweltbedingten Faktoren es zulassen, dass ältere Tiere die jungen manipulieren, und welche Umstände die untergeordneten Geschöpfe veranlassen könnten, sich aufzulehnen.
Die Biologen wissen seit langem, dass viele Vogel-und Säugetierarten kooperative Brutpflege betreiben. Das heißt, ein glückliches Paar in der Gruppe pflanzt sich frisch und frei fort, während die anderen erwachsenen Tiere im Team die eigene Fruchtbarkeit hintanstellen und sich der Pflege und Fütterung des Nachwuchses dieses einen Paares widmen. Solchen Akten von offenkundigem Altruismus scheint jeglicher evolutionäre Sinn abzugehen, denn in seiner unbarmherzigsten Lesart verlangt dieser nach einer geradezu zwanghaften Hingabe an das hehre Ziel der Verbreitung der eigenen DNS. Bei der Untersuchung solcher Brutpflegegemeinschaften stellten Wissenschaftler fest, dass die opferbereiten Erwachsenen in beinahe allen Fällen nahe Verwandte des brütenden Paares waren. Meist handelte es sich um deren Junge oder Geschwister. Damit gehorchten die Märtyrer zumindest einem Teil der darwinistischen Lehre: Zwar waren sie nicht erfolgreich bei der Aufzucht eigener Jungtiere, aber sie arbeiteten immerhin zum Besten ihrer Linie.
Bei näherer Betrachtung ging den Forschern jedoch auf, dass diese indirekte Erklärung allein nicht hinreichte und dass noch andere Faktoren ins Spiel kommen mussten, um es zu rechtfertigen, dass ein Tier auf die eigene Fortpflanzung verzichtet. Sie stellten fest, dass die nicht brütenden Tiere häufig auch eigene Ziele verfolgten, wenn sie sich anboten, im Nest eines Verwandten auszuhelfen. Im Normalfall waren die Helfer relativ jung, und manche schienen die Saison, die sie mit Arbeit im eigenen Elternhaus verbrachten, als eine Art Ausbildungszeit zu sehen, in der sie lernten, Jungtiere unter größtmöglichen Sicherheitsvorkehrungen aufzuziehen. Häufiger noch wurden Tiere zu Helfern, wenn sie kein eigenes Nistrevier für sich reklamieren konnten - entweder weil das Brutgebiet mit konkurrierenden Artgenossen überfüllt war oder weil die in Frage kommenden Brutplätze nicht vor Räubern sicher waren. In solchen Fällen schienen die Helfer eine Warterunde einzulegen, den Älteren beizustehen und zu hoffen, dass die Verwandten möglichst bald das Zeitliche segnen und ihnen die Brutplätze überlassen würden.
Eine weitere Art, die in Gemeinschaft brütet, ist der Hoatzin (das Schopfhuhn), ein seltsamer, schwerfälliger Vogel, den man in Lateinamerika antrifft. Der Hoatzin lebt von Blättern, die er mühevoll in seinem dem Magen eines Wiederkäuers ähnlichen Kropf zermahlt und andaut,
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