Schön scheußlich
bevor sie in den eigentlichen Magen gelangen. Als Jungtier klettert er mit Hilfe eigentümlicher Krallen an den Flügelspitzen, die sich später zurückbilden, »vierbeinig« von Pflanze zu Pflanze. Dieser Vogel hat ein derart spezialisiertes Nist-und Fütterungsverhalten, dass sämtliche der begehrenswertesten Brutgebiete - laubreiche, gut geschützte kleine Inseln in Sumpfgebieten - von Scharen dieser Vögel nur so wimmeln, jede Gruppe ein zankender, lärmender Clan von Verwandten. Unerfahrene Hoatzins haben große Probleme, auszubrechen und sich auf eigene Füße zu stellen. Das Hoatzin-System will es, dass die Weibchen sich aus der Brutgemeinschaft zu entfernen haben, und oft verbringen diese Monate damit, von einem Territorium zum nächsten zu fliegen, um in einer fremden Kolonie eine freie Stelle zu finden.
Bei anderen Arten steht hinter dem Entschluss eines jungen Erwachsenen, bei der Aufzucht seiner Verwandtschaft zu helfen, womöglich die Hoffnung, dass die Neugeborenen später ihre Helfer sein werden, wenn sie selbst alt genug sind, um sich fortzupflanzen. Biologen, die über zwanzig Jahre in die Beobachtung des Buschblauhähers in Florida investiert haben, sind zu dem Schluss gekommen, dass diese Vögel gut daran tun, sich als Helfer zu verdingen, insbesondere dann, wenn die meisten der guten Nistplätze in der Nachbarschaft besetzt sind. Mit zunehmendem Alter versucht der helfende Häher die Jungen, die er gehätschelt hat, zu geflügelten Soldaten zu erziehen, die ihm gegen andere Vögel beistehen, wenn es an der Zeit ist, ein eigenes Zuhause zu erobern.
In anderen Fällen aber sitzen die Helfer bei ihren Arrangements mit Verwandten am kürzeren Hebel. Ein extremes Beispiel von unverhüllter Ausbeutung findet sich bei den Zwergmangusten, rattengroßen afrikanischen Säugetieren. Sie leben in Gruppen von um die zwanzig nahen Verwandten in verlassenen Termitenbauten, und nur ein einzelnes erwachsenes Paar produziert Nachwuchs, während alle anderen den Rest der Arbeit erledigen (den Bau sichern, die Jungen füttern, die Jungtiere herumtragen). Am bemerkenswertesten von allem aber ist, dass die untergeordneten Weibchen in der Gruppe als Ammen fungieren und ebenfalls Milch produzieren, um die Jungen des dominanten Weibchens zu füttern. »Das ist ein außerordentlich hoher Einsatz von Ressourcen«, stellt Dr. Peter Waser von der Purdue University fest, der sich mit diesen Verwandten des Mungos beschäftigt. »Oie Produktion von Milch ist überaus kostspielig, und normalerweise würden Weibchen diesen Aufwand nur für ihre eigenen Jungen betreiben.«
Die dominanten Weibchen erzwingen solche Dienstfertigkeit auf zwei verschiedene Weisen: In selteneren Fällen werden die jungen untergeordneten Weibchen selbst schwanger, wobei ihr Nachwuchs stets auf mysteriöse Weise verschwindet. Höchstwahrscheinlich fällt er dem Kindsmord durch das Alpha-Paar zum Opfer. Und da diese verwaisten Mütter über Milch verfügen, können sie ebenso gut die vorhandenen Jungen säugen, wodurch sich deren Überlebenschance erheblich erhöht. Im anderen, weit geheimnisvolleren Fall beginnen die Weibchen von selbst, Milch zu produzieren, sobald der Nachwuchs ihrer dominierenden Verwandtschaft auf der Welt ist. Diese Milchausschüttung ist insofern besonders beeindruckend, als die Weibchen häufig in anderer Hinsicht sexuell und hormonell unterdrückt werden - weshalb sie oft große Schwierigkeiten haben, überhaupt schwanger zu werden. Dieser »ahormonelle« Zustand wird durch einen konstanten niedrigen Stresspegel aufrechterhalten: Das dominante Weibchen erinnert sie unablässig durch heftige Knuffe, chemische Duftnoten und andere Demütigungen daran, dass es die Chefin des Clans ist.
Man könnte erwarten, dass die untergebenen Weibchen gegen ihr ungerechtes Schicksal rebellieren. Doch außer Geduld zu haben, bleiben ihnen nicht viele Möglichkeiten. Im Allgemeinen schlagen alle Versuche, sich selbst ein Territorium abzustecken, erbärmlich fehl. Zwergmangusten haben eine Menge Feinde in der afrikanischen Savanne, und wahrscheinlich ist ihre extreme Verwundbarkeit sogar der Grund dafür, dass sie sich in der Evolution überhaupt zu sozial lebenden Tieren entwickelt haben: Es zahlt sich aus, ein Netz von Verwandtschaft um sich herum zu spinnen, das nach potenziellen Räubern Ausschau hält.
Im Verlauf der fünfzehn Jahre, in denen Dr. Waser und seine Kollegen die Mangusten beobachtet haben, sind ihnen zwölf Fälle von jungen
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