Schön scheußlich
durchstöbern und wird rasch den Spenderorganismus ausfindig machen oder auch die molekulare Version eines Fluchs: seltene Nukleotidgruppen, die die strukturale Integrität des DNS-Moleküls zu gefährden scheinen.
Dr. Trifonov und seine Kollegen sind so weit gegangen, der Sprache der Gene einen Namen zu verleihen und ein Wörterbuch wichtiger DNS-Sequenzen und ihrer Bedeutungen anzulegen. Diese Sprache, so haben sie beschlossen, soll den Namen Gnomisch tragen. Diese Bezeichnung vermittelt zwischen einem rationalen Gesichtspunkt - sie entspricht der Bezeichnung für das Gesamtpaket an genetischer Information im Zellkern, dem Genom, wenn man das erste e weglässt und einem eher spielerischen Bezug auf die Gnome der Märchen, kleine Wesen von seltsamer Gestalt, die unter der Erde wohnen und deren Schätze bewachen und mit silbernen Federn bei Mondlicht geheime Schriften verfassen. Und schließlich bedeutet der Begriff gnome im Englischen auch Sinnspruch, eine knappe Formulierung einer allgemeinen Wahrheit. Und was sonst ist der genetische Code, wenn nicht eine allgemeine Wahrheit? Eine mit knappen Mitteln formulierte noch dazu. So knapp, dass ihm vier Buchstaben reichen, um von allem Leben zu künden, das je auf der Oberfläche des blauen Planeten Erde krabbelte, zappelte, rumpelte oder spross.
Die Theorien der Biolinguistik sind Zweig einer übergreifenden Wissenschaft, der computationalen Molekularbiologie, einer der modernsten Disziplinen biologischer Forschung. Wissenschaftler häufen so große Mengen an Informationen über Gene und DNS-Sequenzen an, dass es nur noch durch den Einsatz einer Rahmenwissenschaft wie der Linguistik möglich erscheint, die einströmende Datenflut zu bändigen. In der computationalen Molekularbiologie durchsuchen Wissenschaftler Computerdatenbanken aller bekannten DNS-Sequenzen nach kleinsten und allerkleinsten Ähnlichkeiten zwischen einem Nukleotidstrang und dem nächsten. Sobald sie eine Verwandtschaft entdecken, entwerfen sie ein Experiment, um zu klären, ob die Ähnlichkeit eine Bedeutung hat und auf irgendeine evolutionäre Verwandtschaft zwischen zwei Genen verweist oder ob sie rein zufällig ist.
Ein Ansporn hinter der computationalen Biologie ist das Human Genome Project, jenes internationale MilliardenDollar-Unternehmen zur Entzifferung sämtlicher drei Milliarden Nukleotide auf unserer DNS. Das Projekt beinhaltet die Sequenzierung riesiger Abschnitte an genetischer Information auf mehr oder weniger mechanistische Weise. Das heißt, Informationen über Millionen und Abermillionen an Nukleotiden werden zur späteren Verwendung in Computer gefüttert. Die linguistische Analyse ist ein möglicher Ansatz für eine sinnreiche Interpretation, worin unser genetisches Erbe bestehen mag.
Die Idee, sich den genetischen Code als Sprache vorzustellen, ist eigentlich nicht neu. Die Molekularbiologie nahm ihren Anfang in den vierziger Jahren, zufällig genau zu der Zeit, als die Sozialwissenschaftler das Wesen von Sprache und Kommunikation zu erforschen begannen. Bei all dem aufgeregten Gerede über Fragen der Linguistik waren die Biologen nur zu bereit, das Genom als Kommunikationssystem zu betrachten. Um ihre Luftschlösser jedoch in plausible Resultate zu verwandeln, bedurfte es erst noch der Einführung gen technologischer Methoden, mit deren Hilfe sich die biochemischen Bestandteile von DNS-Sequenzen auseinander zupfen und einzeln buchstabieren ließen. Auch mussten die Biologen hinreichend Informationen über die DNS-Sequenzen einer ganzen Palette an Organismen sammeln, bevor sie entsprechende Vergleiche anstellen konnten, aus denen sich genetische Muster würden erschließen lassen.
Wie Kommunikationssysteme nun einmal sind, ist die DNS zur gleichen Zeit einfach und verschnörkelt. Ihre Sprache besteht aus vier Nukleotiden - Cytosin, Adenin, Guanin und Thymin - die, in unterschiedlicher Anordnung zu Tausenden aneinander gereiht, die Informationen für die Herstellung jedes beliebigen Proteins enthalten. Gleichzeitig aber scheint nur ein winziger Bruchteil unserer DNS der Aufgabe gewidmet zu sein, einer Zelle zu sagen, wie sie zu überleben und sich zu teilen hat. Von den drei Milliarden Nukleotiden unseres Genoms sind offenbar lediglich neunzig Millionen an der Zusammensetzung unserer knapp hunderttausend Gene beteiligt. Die verbleibenden siebenundneunzig Prozent des menschlichen Erbguts, die Hülle und Fülle an Gs, As, Cs und Ts, die sich die Doppelhelix hinauf und hinunter in
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