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Schön scheußlich

Schön scheußlich

Titel: Schön scheußlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Natalie Angier
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Ereignissen in ihrem Ablauf genau geklärt ist, werden die Wissenschaftler wirklich wissen, wie Hox-Gene funktionieren und wie ein tonangebendes Gen wie Hox A-3 es fertig bringt, aus einem dünnen Scheibchen des sich entwickelnden Embryos das pochende Herz eines Neugeborenen entstehen zu lassen.

15.
DNS ohne Punkt und Komma
     
     
    Was fremde Sprachen betrifft, so sind Amerikaner darin im Allgemeinen nicht übermäßig bewandert, besonders schwer fällt ihnen jedoch das Beherrschen von Russisch und Chinesisch. Viele Chinesen sagen, ihnen ginge es mit dem Englischen ebenso, und auch der gewandteste unter den polyglotten Europäern stünde den Feinheiten der Navajo-Sprache wahrscheinlich ein wenig hilflos gegenüber. Doch kaum eine Sprache ist komplexer und entmutigender als die des DNS-Moleküls: die einer jeden Zelle eingravierten genetischen Anweisungen, die einem jungen Körper sagen, wie er zu wachsen, einem älteren, wie er zu überleben und einem herangereiften, fruchtbaren Körper, wie er sich fortzupflanzen hat. Bei ihren Bemühungen, den großartigen Spiralstrang aus biochemischen Buchstaben zu entziffern, die das Buch des Lebens schreiben, haben ein paar fantasiebegabte Biologen sich nunmehr darauf verlegt, die Methoden der Linguistik auf die Untersuchung von DNS anzuwenden.
    Sie gehen an DNS-Sequenzen heran, als hätten sie langatmige, in einer archaischen, uns großenteils unvertrauten Sprache verfasste Passagen zu lesen, und borgen sich dazu die Instrumente und Methoden aus dem Handwerkszeug des Linguisten aus, um ein bisschen Ordnung inmitten a11 des biochemischen Geschwätzes auszumachen.
    Von hoch entwickelten Computerprogrammen unterstützt, grübeln die Forscher über den Botschaften von Nukleotidsträngen - Nukleotide sind die Untereinheiten der DNS, molekulares Äquivalent der Buchstaben. Sie suchen nach Mustern, aus denen sich erschließen lässt, wo »Wörter« zu finden sind, das heißt die kritischen Regionen der DNS, die die Zelle anweisen, wie sie Proteine herzustellen, sich in der Mitte zu spalten und anderweitig zu benehmen hat. Die analysierten Wörter sind sehr kurze DNS-Segmente von nur drei bis fünf Nukleotiden Länge. Die Muster sind jedoch charakteristisch genug, um Hinweise darauf zu geben, wo die wichtigste genetische Information verborgen ist, zum Beispiel die Kommandos für die Aminosäuren, aus denen Proteine bestehen.
    Dr. Edward Trifonov vom Weizmann-Institut in Rehovot, Israel, der diesen Ansatz weitergetrieben hat als jeder andere, vergleicht DNS-Sequenzen mit antiken Sprachen wie Hebräisch, Etruskisch und Latein. In jenen Sprachen werden Texte in durchgehender Manier verfasst, kein Zwischenraum trennt ein Wort vom nächsten. Ganz ähnlich besteht das zu seiner dichten, komprimierten Form verpackte DNS-Molekül aus einem durchgehenden Strang aus Milliarden Nukleotiden, auf dem es ebenfalls keinerlei Unterbrechungen zwischen dem Ende des einen Wortes - das für eine Proteineinheit steht - und dem Beginn des nächsten Aminosäurenblocks gibt. In der Antike war Schreiben das Privileg der oberen Klassen, und sie sahen keine Notwendigkeit darin, ihre Wörter durch Leerzeichen zu trennen. Die DNS scheint einen ähnlichen Hang zu elitären Vorrechten zu haben, und wer es nicht kapiert, soll es bleiben lassen. Doch obgleich die pausenlose Organisation der genetischen Information die Aufgabe der Dekodierung erschwert, haben Dr. Trifonov und andere eine Reihe der von der DNS bevorzugten literarischen Werkzeuge ausfindig gemacht. Sie sind dabei zu lernen, wie sich unterscheiden lässt zwischen Passagen des Moleküls, die zu den echten Wörtern gehören, und den weitaus längeren Nukleotidsträngen, die keine sinnvollen Informationen zu enthalten scheinen und oft als Junk-DNS abgetan werden. Sie haben festgestellt, dass die inhaltsreichsten Regionen diejenigen sind, in denen der Ausdruck am stärksten variiert, während die zwischengeschalteten und am wenigsten aussagekräftigen Sequenzen so zufällig und redundant sind wie eine Reihe von Buchstaben, die ein Kleinkind tippen würde.
    Durch diese Art von Ansatz können DNS-Sequenzen in Kategorien eingeteilt werden, ähnlich wie ein Linguist Wörter als Substantive, Verben und Adjektive klassifiziert, und zwar als Anweisungen für Aminosäuren, als Kommandos zum An- und Abschalten von Genen und Instruktionen, mit denen sich die DNS hübsch ordentlich in die Zelle fügt. Man kann eine relativ kleine DNS-Probe eines beliebigen Organismus

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