Schön scheußlich
veranlagt sein mögen, kleine Jungen lieben heftige körperliche Auseinandersetzungen, Scheinkämpfe, Gerangel, Geschrei und die Gelegenheit, jeden Gegenstand, der länger als breit ist, in ein imaginäres Maschinengewehr zu verwandeln. Mädchen vollführen kaum je Spielkämpfe und scheinen Spiele zu bevorzugen, die ein hohes Maß an Koordinationsvermögen voraussetzen: Himmel und Hölle, Seilhüpfen oder Fangen - Vorlieben, die sehr an die erinnern, die auch andere junge Primatenweibchen hegen. Und je nach Kultur üben Mädchen häufig Elemente der Mutterrolle, entweder im Spiel mit Puppen oder indem sie sich beim Eltern-Kind-Spiel gegenseitig als Kinder erziehen. Doch welcher Anteil am Unterschied zwischen den verschiedenen Spielstilen einer angeborenen Veranlagung zu verdanken ist und welcher durch die jeweilige Sozialisierung zustande kommt, das ist eine der Fragen, die sich jeglicher Lösung zu entziehen scheint.
Menschen benutzen das Spiel auch, um Sprache beherrschen zu lernen. Säuglinge beginnen mit spielerischem Gebrabbel. Kleinkinder experimentieren mit den verschiedensten Wortkombinationen. Größere Kinder erfinden Geschichten und Märchen und versuchen sich durch Dinge wie Zungenbrecher und Rätsel direkt mit dem Wesen der Sprache. Mädchen zeigen häufig bessere verbale Fertigkeiten als Jungen, doch ob dies einen Unterschied zwischen den Gehirnen von Jungen und Mädchen reflektiert oder dadurch zustande kommt, dass Mütter mit ihren Töchtern mehr reden als mit ihren Söhnen, ist ungeklärt.
Und noch etwas unterscheidet uns vom Rest des Tierreichs: die Tatsache, dass Spielkämpfe zwischen Kind und Erwachsenem bei nicht menschlichen Arten in der Regel vom Jungtier begonnen werden. Beim Menschen ist das Baby jedoch so lange unfähig, von selbst etwas zu unternehmen, dass die Eltern den ersten Schritt zum Spiel tun. Sie kitzeln den Säugling am Bauch und an den Füßen, klimpern mit ein paar Schlüsseln, spielen Fingerspiele, singen »Alle meine Entchen« und heimsen als Lohn all dessen das unvergleichliche Strahlen eines zahnlosen Babylächelns ein. Dieses Bedürfnis des Erwachsenen, mit den Jungen Spiele zu spielen, ist ein universelles Lebenselement. Den Jungen dient es als Stimulation zur Entwicklung von Körper und Gehirn, dem Erwachsenen ist es Balsam für seine müde Seele.
22.
Hormone und Hyänen
Ihrem allgemeinen Ruf zufolge sind Hyänen grässliche Räuber mit räudigem Fell, wild aufgerissenem Maul und einem hysterisch anmutenden Gelächter als Verständigungsruf. Es ist also keine geringe Überraschung, in den Gehegen einer abgelegenen Forschungsstation auf den Hügeln Berkeleys zu entdecken, dass dieses Biest in Wirklichkeit eine Schönheit darstellt - ein Geschöpf, das Zoll um Zoll nicht weniger ein König ist als jener so gefeierte Fleischfresser, der Löwe. Sein espressobraunes Gesicht ist zärtlich und stark zugleich, vertraut und fremd in einem. Es vereint Züge des Braunbären mit einem Hauch von Schneeleopard und sogar einem Schimmer von Seelöwe. Seine Hinterbeine sind um einiges kürzer als seine Vorderläufe - ein ungewöhnlicher Körperbauplan, der es ihm ermöglicht, seine Beute über große Entfernungen hinweg zu verfolgen. Brust und Nacken sind ein dichtes Geflecht aus kräftigen Muskeln, die es einem Tier von gerade einmal der Größe eines Schottischen Schäferhundes ermöglichen, den Schädel eines büffelgroßen Wildtieres zu zerbeißen.
Die Tüpfelhyäne pulverisiert ihre Beute förmlich. Weit davon entfernt, liegengebliebenes Aas zu vertilgen, wie der Volksmund es will, ist Crocuta crocuta der unbarmherzigste aller Jäger und hat in der Serengeti mehr Wild auf dem Gewissen als jeder andere Fleischfresser. Die Tüpfelhyäne ist überdies der effizienteste unter allen dort ansässigen Verbrauchern und verzehrt Fleisch, Knochen, Hufe, Zähne und Pelz ihrer Opfer - alles mit Ausnahme des Geweihs. In weniger als einer halben Stunde vermag eine Gruppe von zwei Dutzend Hyänen ein 5-Zentner-Zebra auf einen Blutfleck am Boden zu reduzieren. Sie fressen so große Knochenmengen, dass ihr Kot am Ende wie Kalk aussieht.
Das auffälligste Merkmal der Tüpfelhyäne ist jedoch ihre Hormonbilanz. Im Mutterleib sind sowohl männliche als auch weibliche Feten Schwindel erregenden Mengen an männlichen Hormonen - Testosteron in erster Linie - ausgesetzt. Die Folge dieser Androgenschwemme ist, dass beide Geschlechter mit männlich wirkenden Genitalien geboren werden. Beim
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